Ruth Schweikert (1965–2023): Schreibend die Dämonen bannen
Sie sei neben einem Friedhof gross geworden, für sie sei das damals der Kinderspielplatz gewesen. Geblieben sei ihr auch ihre Vorliebe für Eiben. Deren Beeren seien im Kern giftig, aber wenn man nicht darauf beisse, könne man sie gut essen: «Und siehe da: Ich mochte diese Beeren als Kind, und jetzt ist es eigentlich der Hauptbestandteil des Chemotherapeutikums. Es ist nämlich Taxol. Ja, ich sehe da keinen Sinn drin. Aber es ist halt so. Und ich mag Eiben bis jetzt.»
Ruth Schweikert sagt das in einer Radiosendung, die Anfang Mai auf SWR 2 ausgestrahlt wurde: «‹Man stirbt ja nicht so zackbumm› – Vom Schreiben über die Krankheit Krebs». Die Autorin erzählt über das Leben mit der Krankheit, wie sie das bereits in einem Buch getan hatte: Als sie 2016 ihre erste Krebsdiagnose erhielt, begann sie, gegen ihr drohendes Verschwinden anzuschreiben. In «Tage wie Hunde» (2019) setzt sie sich schonungslos mit der Krankheit und mit der Entfremdung des eigenen Körpers auseinander; das Buch ist aber auch eine Reflexion über das Schreiben über die Krankheit.
Geboren 1965 in Lörrach und aufgewachsen in Aarau, ist Ruth Schweikert 1994 mit dem Erzählband «Erdnüsse. Totschlagen» bekannt geworden. «Aus einem Misstrauen gegenüber der Sprache habe ich zu schreiben begonnen», sagte sie damals im Gespräch mit der WOZ. Es folgten Romane, Theaterstücke, Drehbücher, Kolumnen und Zeitungsartikel – auch für diese Zeitung.
Ihr Dasein als Autorin verstand sie politisch – nicht nur den Akt des Schreibens, sondern ihre Existenz als solche. Unermüdlich engagierte sie sich für die Schweizer Kultur- und Literaturszene, unterrichtete und förderte Studierende und Autor:innen als Mentorin am Literaturinstitut Biel, beim Jungen Literaturlabor Jull oder als Tandempartnerin mit Exilautor:innen beim Projekt «Weiter schreiben». 2015 kandidierte sie auf einer Liste von Kultur- und Medienschaffenden für den Nationalrat. Sollte sie gewählt werden, würde sie als Erstes die Sozialpolitik in Angriff nehmen, sagte sie damals in einem Interview.
In einem Nachruf auf Jörg Steiner schrieb sie 2013 in der WOZ: «Wer schreibt, versucht, unter anderem, die Dämonen zu bannen, indem er sie benennt.» Sie hat damit auch ihre eigene Arbeit umschrieben. Vergangenen Sonntag ist Ruth Schweikert 57-jährig in Zürich gestorben.
Ein ausführlicher Nachruf erscheint in der nächsten Ausgabe.