Wichtig zu wissen: Am Republicans-Konzert
Ruedi Widmer über die Trennung von Politiker:in und Werk

Ich bin seit 1995 Fan der Republicans und ihrem Frontmann Trump, ich habe alle seine Reden auf Tonträgern. Seine Lyrik berührt mich. Klar, sie ist hart, sie trieft vor Sexualität und Macht, vor Geld und Totschlag, aber es ist alles auch ein Spiel. So ist das in der Politik. Heute gehe ich nach Miami vors Gericht, ich hab schon lange Tickets. Ich war auch schon in New York vor dem Gericht, und natürlich am 6. Januar 2021 vor dem Washingtoner Kapitol beim Konzert. Dort war ich sogar in der Row Zero und wurde hinter die Bühne eingeladen. Es gab eine wilde Randaleparty hinter der Kapitol-Kulisse, aber ich traf mein Idol nicht. Die Rassistin der Band, Marjorie Taylor Greene, sagte mir, Trump sei gar nicht da, sondern zu Hause vor dem Fernseher. Ich kann bestätigen, es gab keinen Sex da hinten, alles sauber. Aber man muss ja auch nicht so naiv sein, dass man nicht weiss, dass ein Treffen mit Trump ohne Sex unmöglich ist. Schliesslich sind wir alle erwachsen.
Ich glaube ohnehin, dass das mit dem Sex und den Atombombenunterlagen erfunden ist von den Medien und von Neidern von Trumps Band. Die sagen ja, man habe alles, was er gemacht hat, eigentlich schon immer in seinen Reden hören können, hätte man denn gewollt. Doch das stimmt nicht. Er hat bisher keine Mauer zu Mexiko gebaut. Es geht auch dem Mittelstand nicht besser. Bei Trump muss man Politiker und Werk scharf trennen. Es heisst noch lange nicht, dass ein Politiker in Wirklichkeit das macht, was er in seinen Reden sagt. Es würde ja auch niemand kommen und sagen, zum Beispiel Joanne K. Rowling mache das, was sie schreibe. Harry Potter ist Fantasie, Trumps Reden sind Fantasie. Sie machen uns einfach glücklich und lassen uns träumen. Oder Trump als Politiker und Trump als Geschäftsmann, das sind zwei komplett verschiedene Dinge, die man nicht vermischen darf. Geheime US-Atombombenpläne zu horten, ist vielleicht ein bizarres Hobby, aber gemäss sowohl ecuadorianischem als auch irischem Recht nicht ausdrücklich verboten. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Wechsel in die Schweiz.
Nüchtern stellen wir fest: Hier stehen neben Nicolas «Attila» Rimoldi auch Daniel Stricker und Marco Rima zur National- respektive Ständeratswahl. Mannsbilder, die in Bern einfach für sich abrocken und abschocken wollen. Diese medial leider erfolgreiche Attitüde ist sehr vielen ernsthaften und empathischen Menschen fremd, und sie können sich nicht mal mehr im Traum vorstellen, Politiker:in zu werden, dabei hätte die Politik sie bitter nötig. Wie in den USA werden auch bei uns nur noch Freaks an die Front gestellt, um in der «Arena» die Einschaltquoten zu erhöhen, Bunga Bunga zu machen, die Glockenspielkultur zu fördern und in den Tag hinein zu twittern. Nur schon um überhaupt von einer Partei nominiert zu werden, braucht man heutzutage einen Wutblog, ein komisches Fasnachtskostüm, eine Horde Wüteriche, die einem überallhin folgen, und ein paar illegale Telefonbelästigungen auf dem Swisscom-Konto. Es muss wieder mal festgehalten werden: Das alles ist gar nicht die Aufgabe der Politik.
Politiker:innen sollen ruhig und überlegt arbeiten und dem Volkswohl (nicht dem Volkswillen) dienen. Sie haben saubere Luft und sauberes Wasser zur Verfügung zu stellen, die Sicherheit auf der Strasse und in dunklen Hinterzimmern zu gewährleisten, die Bildung und die arbeitsplatzorientierte Wirtschaft zum Blühen zu bringen, die Gleichberechtigung der Geschlechter voranzutreiben und die Energiesituation klimaverträglich zu machen. Sie haben einen einwandfreien Leumund und eine angenehme, ruhige Sprechweise mitzubringen. Sie sollten weder aus dem Gefängnis heraus noch von der billigen Showbühne herunter regieren. Klingt alles anstrengend und ist es auch.
Ruedi Widmer ist Cartoonist in Winterthur. Er kandidiert nicht.