Donald Trump vor Gericht: Denn er wusste, was er tut
Erstmals in der US-Geschichte wird ein früherer Präsident beschuldigt, die «friedliche Machtübergabe» aktiv behindert zu haben. Kann er nächstes Jahr trotzdem wieder ins Weisse Haus einziehen?
So langsam hat man sich fast an Meldungen dieser Art gewöhnt: Donald Trump, ehemaliger Präsident der USA, wurde vergangene Woche in Washington angeklagt. Es ist bereits das dritte strafrechtliche Verfahren gegen den 77-Jährigen.
In diesem Fall geht es um Trumps Versuch, die verlorene Wahl 2020 zu seinen Gunsten zu kippen. Die 45 Seiten lange Anklageschrift, von Sonderermittler Jack Smith und dessen Kolleg:innen im Justizministerium über mehrere Monate zusammengestellt, nennt vier Hauptpunkte: Behinderung eines offiziellen Verfahrens, Verschwörung zur Behinderung eines offiziellen Verfahrens, Verschwörung zum Betrug an den USA sowie Verschwörung, um andere an der Ausübung ihrer verfassungsmässigen Rechte zu hindern.
Nie zuvor in der Geschichte des Landes wurde ein (Ex-)Präsident beschuldigt, die «friedliche Übergabe der Macht», ein wesentliches Element der Demokratie, aktiv behindert zu haben. Sollte Trump, der auf unschuldig plädiert, verurteilt werden, droht ihm eine Gefängnisstrafe von bis zu zwanzig Jahren. Wann genau der Prozess losgeht, ist noch nicht entschieden.
Narzisstisch und faschistoid
Bemerkenswert ist nicht nur die historische Einzigartigkeit des Verfahrens, auch seine Details sind es. So erfährt man aus der Anklageschrift, dass Trumps Team in den Wochen nach der Wahl konkret diskutierte, wie man potenzielle Aufstände in den Städten nach einer Machtübernahme kleinhalten könne. Rechtsanwalt Jeffrey Clark – einer von sechs nicht namentlich genannten, aber doch recht einfach identifizierbaren Mitverschwörer:innen – soll dabei auf den «Insurrection Act» verwiesen haben, ein Gesetz, das den Einsatz des Militärs im Innern regelt. Zur Not sollte der Putsch also mit Gewalt durchgesetzt werden. Ausschlaggebend für eine mögliche Verurteilung könnte auch sein, dass Trump seinen damaligen Vizepräsidenten Mike Pence gedrängt habe, die Wahl Joe Bidens nicht als rechtlich gültig zu erklären. «Du bist zu ehrlich», soll er demnach zu Pence gesagt haben. Kriminelle Energie lässt sich anhand solcher Sätze schwerlich bestreiten. Trump wusste, was er tut.
Neben dieser Anklage ist Trump derzeit mit diversen anderen Verfahren konfrontiert. Im ersten strafrechtlichen Prozess wird ihm vorgeworfen, Schweigegeldzahlungen an eine Pornodarstellerin nicht rechtmässig deklariert zu haben. Im zweiten geht es um die gesetzeswidrige Aufbewahrung geheimer Regierungsdokumente. Mit grosser Wahrscheinlichkeit wird Trump auch im Bundesstaat Georgia wegen Wahlfälschung angeklagt werden. Dazu kommen noch zwei zivilgerichtliche Verfahren, eines wegen Finanzbetrug, das andere wegen Verleumdung im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch. In Kombination lesen sich all diese Anklagen wie ein akkurates Zeugnis von Trumps Wesen und Wirken: ein gewaltbereiter und narzisstischer Mann, korrupt und faschistoid gepolt.
Was bedeutet das Ganze nun für die Wahl im November 2024, bei der Trump erneut für die Republikanische Partei antreten will? Zunächst muss man festhalten, dass er bei der rechten Basis noch immer mit deutlichem Abstand die Nummer eins ist: In den zuletzt durchgeführten Umfragen sprachen sich rund 50 Prozent der republikanischen Wähler:innen für Trump aus. Konkurrent Ron DeSantis, aktuell Gouverneur von Florida, lag bei unter 20 Prozent.
Sollte Trump einer schweren Straftat schuldig gesprochen werden, könnte sich das Blatt noch wenden. In einer vergangene Woche veröffentlichten Reuters-Umfrage gaben 45 Prozent der befragten Republikaner:innen an, in diesem Fall nicht mehr für ihn stimmen zu wollen. Eine Gefängnisstrafe an sich wäre technisch gesehen allerdings noch kein Hinderungsgrund für eine Kandidatur. In der Vergangenheit ist es dazu schon gekommen: 1920 bekam der inhaftierte Sozialist Eugene Debs bei der Präsidentschaftswahl knapp eine Million Stimmen. In allgemeinen Umfragen liegen Präsident Joe Biden und Trump momentan gleichauf.
Free Speech oder Verschwörung?
Trump reagiert auf die neuste Anklage wie gewohnt: Schuld seien die anderen, er selbst das Opfer einer politischen Kampagne. Auf seiner Plattform Truth Social fabuliert er von der «Zerstörung Amerikas», agitiert gegen Biden und beschwert sich zwischendurch über das Scheitern des US-Teams bei der Fussballweltmeisterschaft der Frauen – seinem Wahn nach ein Ausdruck von zu viel «Wokeness». Trumps Anwalt John Lauro erklärte derweil gegenüber CNN, dass sich sein Mandant im Prozess auf das Recht der freien Meinungsäusserung beziehen werde. «Free speech» oder Verschwörung gegen die USA – das müssen nun die Gerichte entscheiden.
Unabhängig vom Ausgang der Gerichtsverfahren kann man davon ausgehen, dass sich Trump in den kommenden Jahren nicht aus der Politik zurückziehen und zumindest der harte Kern der «Make America Great Again»-Bewegung bedingungslos hinter ihm stehen wird. Seine Anhänger:innen werden sich – ebenfalls unabhängig vom Ausgang – darin bestätigt fühlen, dass Trump nicht der Verschwörer, sondern das Opfer eines Komplotts ist. Wie der Sturm aufs Kapitol im Januar 2021 gezeigt hat, sind viele von ihnen gewaltbereit. Im schlechtesten Fall war dieses Ereignis also nur ein Vorgeschmack.