Klimapolitik: Viele mentale Bremsklötze

Nr. 34 –

Wer junge Kinder hat, weiss, wie schwierig es ist, mit ihnen über die aktuellen Waldbrände, Wirbelstürme, Überschwemmungen oder die Hitzewelle in der Schweiz zu reden. Auch wenn es solche Ereignisse immer gegeben hat, lässt die Wissenschaft keinen Zweifel, dass es mehr werden. Und sie immer heftiger ausfallen.

Man möchte ihnen sagen, dass sich die Erwachsenen auch wie Erwachsene benehmen und alles Nötige gegen die Klimaerhitzung tun, damit ihre Kinder und Enkelkinder auch noch eine Zukunft haben. Doch das wäre gelogen. Kurz vor den Wahlen ziehen Politiker:innen der grössten Partei des Landes den menschengemachten Klimawandel offen in Zweifel – oder greifen gleich ganz zu dessen Leugnung. Als wären sie kollektiv auf den Kopf gefallen.

Die Leugnung in den Reihen der SVP ist jedoch nicht die einzige irrationale Reaktion auf die Klimaerhitzung. Es gibt noch viele mehr:

Da wäre etwa die Beschönigung durch Medienbeiträge über glückliche Menschen, die auf Gummibooten oder in der Badi chillen. Und dies just in jenen Tagen, in denen die Nullgradgrenze in der Schweiz erstmals auf 5298 Meter stieg und man den Gletschern mit blossem Auge beim Schmelzen zusehen kann. Man mag den Journalist:innen zwar verzeihen – schliesslich waren es jüngst ja tatsächlich schöne Badetage. Aber dennoch tragen sie zu einer gefährlichen Verharmlosung des Problems bei, wie der Klimaaktivist Marcel Hänggi auf Twitter bemerkte.

Trotz der Erfolge, die dank des Drucks der Klimabewegung in den letzten Jahren erzielt wurden, beruht zudem ein Grossteil der Klimapolitik auf übertriebener Hoffnung: darauf, dass die Autobahnen, deren Ausbau SVP-Verkehrsminister Albert Rösti eben verkündet hat, irgendwann – so Gott will – mit CO₂-neutralen Autos befahren werden (vgl. «‹Die Mobilitätswende geschieht definitiv zu langsam›»). Auf der Hoffnung, dass wir das Bruttoinlandprodukt weiterhin alle vierzig Jahre verdoppeln können und der Treibhausgasausstoss trotzdem bis 2050 auf null sinkt; auch wenn dieser seit zwanzig Jahren bei gut 110 Millionen Tonnen stagniert. Und auf der Hoffnung, dass man nur die erneuerbaren Energien auszubauen braucht, um den CO₂-Ausstoss zu senken – auch wenn zig Studien glasklar zeigen: Solange der Verbrauch der fossilen Energie nicht beschränkt wird, sinkt er nicht. Die erneuerbare Energie kommt lediglich zusätzlich hinzu.

Irgendwie werde es der Mensch auch diesmal wieder schaffen, mit seinem Erfindergeist einen Weg zu finden, heisst es. Schön. Nur sprechen die Fakten bis jetzt dagegen. Die Politik müsste endlich fossile Energie beschränken – und den verbleibenden Kuchen gerecht verteilen. Alles andere ist Quacksalberpolitik.

Wer Forderungen stellt, dem wird von einigen jedoch vorgeworfen, die Klimaerhitzung zu politisieren, etwa vom «Tages-Anzeiger», der Anfang Sommer prominent eine Entpolitisierung der Klimadebatte forderte: Ja, die Häufung und die Intensität von Extremwetterereignissen seien die Folge des Klimawandels. Aber: Man dürfe dies nun ja nicht missbrauchen, um politische Forderungen abzuleiten – wie etwa, dass der Fussabdruck der Reichsten beschränkt werden müsse. Man kratzt sich am Kopf und fragt sich: Was soll denn Politik anderes tun, als politische Antworten auf drängende Probleme zu liefern?

Die Forderung, die Klimaerhitzung nicht zu politisieren, ist selbst Politik. Politik zugunsten des Status quo.

Schliesslich ist da noch der altbekannte Versuch, die Boten zu erschiessen, sie zu diskreditieren, um die Nachricht nicht hören zu müssen; das grosse Problem sind auf einmal die Klimabewegung, die sich angeblich radikalisiere, und die Heuchelei ihrer Angehörigen, von denen einige auch schon in einem Flugzeug gesessen hätten. Ein moralischer Widerspruch? Vielleicht. Doch selbst wenn Klimaaktivist:innen täglich mit dem Privatflugzeug um die Welt jetten würden: Auch das würde an der Wahrheit ihrer Botschaft nichts ändern.

Wer gegenüber seinen Kindern ehrlich ist, muss ihnen gestehen: Die Klimaleugnung der SVP ist vielleicht nicht einmal der grösste Bremsklotz in der Klimapolitik.