Autonome Druckerei: Ein 25 Tonnen ­ schweres Problem

Nr. 44 –

Eigentlich wollte das Druckkollektiv der Reitschule Bern einfach eine Druckmaschine kaufen. Bezahlen muss es diese nun doppelt. Eine Geschichte von dreckigen Druckwalzen in Reykjavík und einem insolventen Zwischenhändler in Hamburg.

drei Personen bei der Arbeit in der «Drucki» der Reitschule
Die alte Maschine der «Drucki» hat schon fast das Doppelte ihres erwarteten Lebensalters erreicht. Nun muss sie noch etwas länger durchhalten.

Einen ganzen Tag verbrachte Stella Bollinger vom Druckkollektiv der Reitschule mit der Heidelberg Printmaster PM 74–4. Es war in diesem Frühjahr, etwas ausserhalb von Reykjavík, in einer alten Lagerhalle. Die Maschine war nicht neu und etwas dreckig, aber gut in Schuss. Bollinger war begeistert von der Bedienung, dem exakten Druck, den Farben. Seit jenem Tag hat sie die Maschine nicht mehr gesehen.

Die Heidelberg Printmaster aus Island sollte eigentlich die aktuelle Maschine der Reitschule-Druckerei ersetzen. Diese ist ebenfalls von der Firma Heidelberg, auch wenn man das nur mit etwas Fantasie erkennt. Vom Schriftzug kleben nur noch das H, drei E, ein R und das G auf dem Rahmen. Die Maschine mache viele Schwierigkeiten, und so müsse man viel Zeit für Reparaturen aufwenden, erzählt Bollinger in einem Sitzungsraum der Reitschule. Wie es eigentlich um das Problem mit dem Feuchtwasser stehe, fragt sie in die Runde. Fachsimpelei unter Offsetdrucker:innen. Eine Leitung sei verstopft gewesen, nun funktioniere zwar alles wieder, wenn auch immer noch etwas labil, antwortet David Böhner, der sich schon seit etwa 25 Jahren in der «Drucki» engagiert.

Die Lebensdauer einer Offsetdruckmaschine beträgt bei guter Pflege vielleicht 15 Jahre. Das Modell in der Reitschule ist 27 Jahre alt. Schon seit zehn Jahren legt das Kollektiv Geld für eine neue Maschine zur Seite. Letztes Jahr hatte es dann auf einer Onlineplattform das Inserat für die Heidelberg Printmaster PM 74–4 gefunden. Ein Händler aus Hamburg bot die Maschine aus Island an. Der Preis passte, Bollinger flog nach Reykjavík und schaute sie sich an.

Überweisung und Ernüchterung

Mit bei der Besichtigung war ein Mitarbeiter des Händlers. Dieser bot an, das 25 Tonnen schwere Gerät bereits in der Woche darauf abzubauen, im Lager in der Nähe von Hamburg zu reinigen und dann weiter nach Bern zu senden. Die Reitschule-Drucki musste rasch entscheiden, ob sie die Maschinen haben wollte. Bollinger sandte den Rapport der erfolgreichen Tests ans Kollektiv. Dieses zog auch Erkundigungen über den Händler ein: Dreissig Jahre war er schon im Geschäft, und auch ein Techniker, der die aktuelle Maschine der Drucki schon mehrmals reparierte, hatte nichts Negatives über seine Zusammenarbeit mit ihm zu berichten. So entschied sich die Drucki, den Vertrag zu unterschreiben und das Geld zu überweisen. Kaufpreis mit Reinigung und Lieferung: 130 000 Euro. Viel Geld für einen Verein, der einen Jahresumsatz von rund 300 000 Franken erwirtschaftet und allen acht Kollektivmitgliedern nur den «gleichen, tiefen Lohn» zahlen kann.

Nach der Überweisung begannen in Bern die Vorbereitungen. Die mit anreisenden Techniker brauchten eine Unterkunft, und um die Maschine in zwei Teilen in die Drucki zu bringen, mietete man einen Gabelstapler. Als alles für die grosse Ankunft bereit war, sagte der Zwischenhändler ein erstes Mal ab. Ein Mitarbeiter sei krank. Die Unterkunft wurde storniert, das Datum für die Gabelstaplermiete verschoben, da folgte bereits die zweite Absage aus Hamburg, dann die dritte. Einen vierten Termin zu vereinbaren, sei schon schwierig gewesen, erzählt Böhner. Als dieser näher kam, schien aber alles zu klappen.

Die Lieferung wurde am Montag erwartet. Am Donnerstag zuvor versicherte der Mitarbeiter, den Bollinger in Island kennengelernt hatte, dass es nun klappen würde. Doch am selben Nachmittag rief dessen Chef an und verkündete, seine Firma sei insolvent. Es liege jetzt in den Händen des Insolvenzverwalters, ob die Maschine geliefert werden könne.

Spenden für erneuten Kauf

Drei Tage später reiste eine Delegation des Kollektivs mit dem Nachtzug nach Hamburg. Dort entschied der Insolvenzverwalter, die Maschine nicht auszuliefern. Einzige Option sei es, das Gerät aus der Konkursmasse noch einmal zu kaufen. Die Delegation liess sich von einem Anwalt beraten, der erklärte, dass der Rechtsweg dagegen ausgeschlossen sei. Wie weiter also? Darüber habe man lange diskutiert, sagt Bollinger. «Das ist vielleicht das Gute an dieser Geschichte. Wir sind als Kollektiv in all den Krisensitzungen noch einmal zusammengewachsen.»

Und auch der Insolvenzverwalter sei zunächst bereit gewesen, die Maschine aufgrund der «besonderen» Situation günstig zu verkaufen. Nachdem die Reitschule bereits 50 000 Euro geboten hatte, wollte er dann plötzlich doch mehr Geld haben. Bei ihm sei ein höheres Angebot eingegangen, das müsse er berücksichtigen. Pikant dabei: Absender des Angebots ist laut Kollektiv die neue Firma des Konkurs gegangenen Händlers.

Dem Kollektiv bleibt trotzdem nichts anderes als der erneute Kauf der Maschine übrig. Dafür sammelt es nun Spenden, insbesondere via Crowdfunding. Ziel sind 90 000 Franken. Dazu rechnet der Verein, 30 000 Franken Eigenmittel draufgeben zu müssen. So soll das Geld am Ende reichen, um die Maschine zu befreien, hofft Böhner. «Diese Maschine für 120 000 Franken ist eigentlich kein schlechter Deal. Das Blöde ist einfach, dass wir sie nun schon zum zweiten Mal kaufen müssen.»

Die Crowdfunding-Kampagne «4 Farben für die Drucki» auf crowdify.net.

Nachtrag vom 7. Dezember 2023: Gut zum Druck in der Reitschule

Das Druckkollektiv der Berner Reitschule hat diesen Montag endlich eine neue Druckmaschine bekommen. «Wir sind schon sehr erleichtert. Das ganze Jahr mussten wir uns mit dieser Geschichte rumschlagen und hatten teilweise wirklich existenzielle Sorgen. Da fällt jetzt viel Druck ab», sagt Kollektivmitglied und Reitschule-Urgestein David Böhner am Telefon.

Zehn Jahre lang hatte die «Drucki» auf einen Ersatz für ihre alte, marode Maschine gespart. Dann fand sie über ein Onlineinserat das gewünschte Modell – in Island. Nach einer Besichtigung vor Ort kaufte das Kollektiv die Occasionsmaschine und überwies den vereinbarten Betrag von 120 000 Franken, Reinigung und Lieferung inklusive. Doch die Druckmaschine kam nie in Bern an. Der Zwischenhändler in Hamburg, der die Maschine reinigen und nach Bern transportieren sollte, war in der Zwischenzeit in Konkurs gegangen – und die bereits bezahlte Druckmaschine landete in der Konkursmasse.

Die neue Maschine ist für die Druckerei von essenzieller Bedeutung. Nur mit einer neueren Vierfarbenmaschine gebe es eine Perspektive über die nächsten Jahre hinaus, teilt das Kollektiv auf seiner Website mit. Ohne neue Maschine könnte man bald keinen Offsetdruck mehr anbieten, und Kund:innen müssten auf Billig- und Monopolbetriebe ausweichen, «in denen Ausbeutung, Stress und fragwürdige Werbebotschaften an der Tagesordnung sind», heisst es weiter. So entschied sich das Kollektiv, die schon bezahlte Druckmaschine noch einmal zu kaufen.

Dafür lancierte die Gruppe ein Crowdfunding. 60 000 Franken sollten zusammenkommen. Bei Redaktionsschluss fehlen nur noch einige Tausend Franken. «Wir sind zuversichtlich, dass wir unser Ziel erreichen werden, und freuen uns über die grosse Solidarität», sagt Böhner. Zusätzlich seien auch noch einige Spenden direkt auf das Bankkonto einbezahlt worden. So kann das Druckkollektiv die Maschine nun ohne ein zusätzliches Darlehen kaufen. Falls das Spendenziel übertroffen wird, würde das Geld genutzt, um Kund:innen zu unterstützen, die sich ihren Druckauftrag sonst nicht leisten könnten.