Literatur: Mit Empathie und Gewalt
![Buchcover von «[empfindungsfæhig]»](/files/styles/text_cover_2x/public/text/2023/2345_24_elarbi_cover.jpg?itok=kJZhg6yF)
Das Genre des Cyberpunk, in dem die «No Future»-Haltung des Nonkonformismus der 1980er in ebenjene «Future» projiziert wird, ist ein bisschen in die Jahre gekommen. Das liegt natürlich weniger an seinem mit dem Film noir verwandten Hard-boiled-Pessimismus als an der Gegenwart selbst, die die düsteren Techfantasien in vielen Belangen längst eingeholt hat. Asoziale multinationale Unternehmen und undurchsichtige digitale Entitäten kontrollieren eine Welt im Begriff ihrer Zerstörung, deren Bewohner:innen dem spätkapitalistischen Alltag mit Drogen oder mit der Flucht in den Cyberspace entfliehen.
Umso willkommener steht da jetzt der Erstlingsroman von Reda El Arbi in der beschaulichen Schweizer Literaturlandschaft, wo Science-Fiction ansonsten keine Rolle spielt. In «[empfindungsfæhig]» wird Lea Walker, eine ehemals drogensüchtige lesbische Privatermittlerin, in eine weltumspannende Verschwörung gegen die künstlichen Intelligenzen gezogen, die – der Menschheit durchaus wohlgesinnt – die Macht längst übernommen haben. Hilfe bekommt sie unter anderem von einer schwer bewaffneten Gang aus Ex-Sexworkerinnen und von Cali7, der taktischen KI ihrer Armprothese, deren Persönlichkeit sich durch empathischen Humor und eine Neigung zur exzessiven Gewalt auszeichnet.
Beide Eigenschaften teilt sie in gewissem Sinn mit Autor El Arbis Erzählweise, der auf Twitter/X nicht zuletzt für seinen teilweise brachialen Diskussionsstil berüchtigt ist – das Herz allerdings entschieden auf dem linken Fleck hat. Dass sein Roman sprachlich manchmal etwas ungehobelt daherkommt, verzeiht man ihm spätestens dann, wenn der mitreissende Plot reinkickt, der unsere exzentrische Ermittlerin von ihrer Wohnung im ehemaligen Gebäude der Zürcher Stadtpolizei in den Erdorbit und zurück führt. Ausserdem wirkt El Arbis Entwurf von der gerade noch funktionierenden Welt im Jahr 2082 durchaus plausibel – in seinem Glauben, dass die Dinge, allen Umständen zum Trotz, irgendwie doch noch funktionieren, ist er sogar ein bisschen optimistisch.