Gesundheitskosten: Milliarden für die Kassen
Wer bezahlt Behandlungen im Spital – die Prämienzahler:innen oder die Kantone? Die Vorlage zu einer einheitlichen Finanzierung, über die das Parlament nun abstimmt, könnte fatale Folgen haben.
Diesen Freitag kommt es im Parlament zur Schlussabstimmung über eine gesundheitspolitische Vorlage, die seit über fünf Legislaturen im Bundeshaus herumgeistert: die Vorlage zur einheitlichen Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen (Efas). Der Vorschlag basiert auf einer parlamentarischen Initiative von Ruth Humbel (damals CVP) aus dem Jahr 2009. Für bürgerliche Befürworter:innen gilt sie als Allheilmittel, um Kosten einzusparen, indem möglichst viele Behandlungen vom stationären in den ambulanten Bereich verlagert werden.
Bisher wird die stationäre Versorgung zu 45 Prozent durch die Prämien und zu 55 Prozent durch die Kantone finanziert, der ambulante Bereich hingegen voll durch Prämien. Mit Efas würden beide zu je 73 Prozent durch Prämien und zu je 27 Prozent mit Steuergeldern finanziert. Die Kantone müssten rund zehn Milliarden Franken, die heute im stationären Bereich aufgewendet werden, an eine gemeinsame privatrechtliche Einrichtung der Versicherer überweisen.
Der VPOD, die Gewerkschaft des Personals öffentlicher Dienste, hatte bereits 2019 ein Referendum angekündigt, sollte die Vorlage durchkommen. Auch für Reto Wyss, beim Schweizerischen Gewerkschaftsbund für Gesundheitspolitik zuständig, wäre ein solches Modell demokratiepolitisch fatal: «Indem die öffentliche Hand die heute öffentlich kontrollierten Spitäler plötzlich weniger mitfinanzieren würde, würde das auch ihre Planungskompetenz für den stationären Bereich erheblich einschränken.»
Ambulantisierung wofür?
Mehr Behandlungen in den ambulanten Bereich zu verlagern, ist sicher nicht falsch. In der Schweiz werden noch immer viel zu viele leichte Eingriffe stationär vorgenommen. Grund dafür sind die Tarifsysteme Tarmed (ambulant) und Fallpauschalen (stationär): Wo mehr operiert und behandelt wird, kann mehr Einkommen erzielt werden. Umso höher ist der Anreiz, das Behandlungsvolumen auszudehnen – vorzugsweise mit den lukrativeren Tarifen im stationären Bereich. Doch braucht es für die angestrebte Ambulantisierung ein Modell wie Efas? Nein, meint Wyss. «Das einfachste Mittel dazu wäre die Festlegung von Leistungen, die in den Spitälern ambulant, also innerhalb von maximal 24 Stunden, erbracht werden müssen.»
Tatsächlich gibt es bereits seit fünf Jahren eine solche vom Bund erstellte Liste. Laut Angaben des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums hat sich die Ambulantisierung allein dadurch so beschleunigt, dass die Kantone schon im ersten Jahr nach deren Einführung 34 Millionen Franken einsparten. Eine Studie von Pricewaterhouse Coopers aus dem Jahr 2016 geht für dreizehn ausgewählte verlagerbare Eingriffe gar von einem jährlichen Einsparpotenzial von 250 Millionen Franken aus.
Ursprünglich sah die Initiative von Ruth Humbel vor, die Efas auf die privaten Vertragsspitäler auszuweiten. Nach dem Ständerat hat nun aber auch der Nationalrat dagegengestimmt, dass diese wie die Listenspitäler 73 statt 45 Prozent der Gelder aus der Grundversicherung bekommen. So konnte nicht zuletzt aufgrund der Referendumsandrohung des VPOD verhindert werden, dass die Prämienzahlenden deutlich mehr an die Behandlungen in Privatspitälern zahlen müssen. Ebenso hat sich das Parlament dagegen ausgesprochen, die Rechnungskontrolle ausschliesslich den Kassen zu überlassen, ohne dass die Kantone die Möglichkeit zu Einsprachen hätten.
Streitpunkt Langzeitpflege
Ein sozialpolitisch besonders heikler Punkt dagegen hat eine Mehrheit gefunden. Geht es nach dem Parlament, soll die Efas auch auf die Langzeitpflege ausgeweitet werden – den einzigen Bereich, an dem sich die öffentliche Hand so beteiligt, dass die Kosten nicht auf die Prämien abgewälzt werden. Die Kantone wären nicht mehr für die Restfinanzierung zuständig – die Prämienzahler:innen müssten sich zusätzlich an den Kosten beteiligen, die aus demografischen Gründen am stärksten wachsen. Auch hier hat die Ratslinke einiges entschärfen können: So soll die Langzeitpflege erst nach sieben Jahren in die Efas-Vorlage integriert werden, und die Tarife sollen möglichst kostendeckend sein. Allerdings ändert dies nichts an der Befürchtung der Gewerkschaften, dass als Antwort auf einen zusätzlichen Prämienanstieg ein noch tieferer Pflegetarif folgen könnte – nicht gerade, was es für die Umsetzung der Pflegeinitiative benötigte. Mit dem Einbezug der Langzeitpflege würde auch die direkte Kostenbeteiligung der Patient:innen in Pflegeheimen und bei der Spitex zunehmen.
Sosehr die parlamentarische Linke einen Teil der neoliberalen Schlagseite der Vorlage lindern konnte: Das Papier, das nun vorliegt, stärkt noch immer die Krankenversicherungen – und schwächt die öffentliche Hand. Dabei ist längst bekannt: Ohne stärkere Beteiligung von Bund und Kantonen wird die Gesundheitsversorgung für immer mehr Menschen unbezahlbar. Was heisst das für die Schlussabstimmung? Bis Redaktionsschluss zeigte sich die Linke gespalten. Für den VPOD ist klar, dass er bei einer Annahme das Referendum ergreifen würde. Ausschlaggebend sei letztlich, wer das Gesundheitswesen steuere, sagt Viviane Hösli vom VPOD. «Und das sind in der Efas hauptsächlich die Krankenkassen.»