Gesundheitsreform Efas: Eingebaute Risiken, schwere Nebenwirkungen

Nr. 43 –

Die «Einheitliche Finanzierung der ambulanten und stationären Leistungen», über die am 24. November abgestimmt wird, verschiebt die Macht von den Kantonen zu den Krankenkassen – und erhöht den Spardruck in der Langzeitpflege.

Foto eine älteren Frau, die von einer Pflegerin betreut wird
Was bringt Efas? Es drohen mehr Kosten für die Patientin und schlechtere Arbeitsbedingungen für Spitexangestellte. Foto: Gaëtan Bally, Keystone

«Verbesserung der Versorgungsqualität»: Das ist gemäss dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) das Hauptziel der Änderung des Krankenversicherungsgesetzes. Titel der Abstimmungsvorlage: «Einheitliche Finanzierung der ambulanten und stationären Leistungen» (Efas). Hauptstrategie, um das Ziel zu erreichen: eine beschleunigte Verlagerung der Behandlungen vom stationären zum ambulanten Bereich. Und das damit verbundene Versprechen: Fehlanreize, die wegfallen – und Gesundheitsleistungen, die für die Prämienzahlenden erschwinglicher werden.

Die Grundthese, die hinter dieser Erzählung steht, die von Curafutura, dem grössten Dachverband der Krankenkassen, der Pharmaindustrie (Interpharma), dem Wirtschaftsdachverband Economiesuisse sowie von Privatkliniken und profitorientierten Pflegeorganisationen unterstützt wird, ist so kurz wie bündig: Ambulant ist günstiger. Neu sollen deshalb alle Leistungen, egal ob stationär oder ambulant, gleich finanziert werden: zu 73,1 Prozent über Prämien und zu 26,9 Prozent über kantonale Steuergelder. Bislang werden ambulante Leistungen vollumfänglich durch Prämien finanziert – stationäre dagegen zu 55 Prozent mit Steuergeldern und zu 45 durch Prämien.

Das BAG argumentiert, dass sich die gestiegenen Gesundheitskosten in den vergangenen zehn Jahren vor allem in stark gestiegenen Krankenkassenprämien niedergeschlagen hätten und deutlich weniger bei den Kantonen. Dies, weil die bereits erfolgte Verlagerung zum ambulanten Bereich und das daraus resultierende Wachstum der ambulanten Leistungen vollständig von den Versicherungen finanziert würden. Die einheitliche Finanzierung, so das BAG, setze dieser Kostenverschiebung zulasten der Prämienzahlenden ein Ende.

Der versteckte Skandal

Rein arithmetisch klingt das zunächst einleuchtend. Doch was sind die Nebenwirkungen und eingebauten Risiken, die es zu beachten gilt – und von denen weder beim Bund noch in den Verlautbarungen der Befürworter:innen die Rede ist? Laut der Gewerkschaft des Personals öffentlicher Dienste VPOD, dank deren Referendum die Reform überhaupt an die Urne kommt, ergeben sich mit Efas zwei Hauptprobleme: Zunächst erhielten die Krankenkassen mehr Macht. Indem die stationären Leistungen neu zu knapp 73 statt 45 Prozent über Prämien finanziert würden, hätten die Versicherer in diesem Bereich mehr Einfluss.

Die zweite, noch problematischere Auswirkung betrifft die Langzeitpflege. Die Vorlage verlangt nämlich, dass auch dieser Bereich sieben Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes zu knapp drei Vierteln durch Prämien finanziert werden soll (nachdem sich die Kantone bislang im Schnitt zu 46 Prozent und die Krankenkassen zu 54 Prozent daran beteiligen). Das würde den Kantonen ermöglichen, die Verantwortung für die Alters- und Pflegeheime sowie die Spitex abzugeben.

Kurz: Efas würde die Kantone entlasten – während die Ausgaben für Heimbewohnerinnen und Prämienzahler stiegen. Besonders fatal wäre das für Menschen, die dann auf Langzeitpflege in einem Heim oder durch die Spitex angewiesen sein werden. «Das ist der eigentliche sozialpolitische Skandal, der sich in der Efas-Arithmetik versteckt», so Viviane Hösli, die beim VPOD für die Gesundheitspolitik zuständig ist. «Mit Efas würde der Gesetzesartikel gestrichen, der die Restfinanzierung durch die öffentliche Hand garantiert.» Konkret handelt es sich um die Aufhebung der Deckelung jener Kostenbeiträge, die ältere Menschen an die Pflege zahlen müssen (heute maximal zwanzig Prozent): eine sozialpolitische Errungenschaft, die 2012 mit der Pflegefinanzierung eingeführt wurde – und nun also dem neuen Finanzierungsmodell geopfert werden soll. Natascha Wey, VPOD-Generalsekretärin, betont: «Damit würde sich die öffentliche Hand ihrer Pflicht entziehen, die Finanzierung der Alters- und Pflegeheime und der Spitex zu gewährleisten.»

Nach einer Übergangsfrist von vier Jahren könnte der Bundesrat die Maximalbeiträge, die Langzeitpatient:innen zahlen müssen, laufend erhöhen. Die finanzielle Belastung von Patient:innen ohne teure Zusatzversicherungen würde damit zwangsläufig spürbar zunehmen. «Und die Versicherten», so Reto Wyss, Zentralsekretär beim Gewerkschaftsbund SGB, «müssten sich zusätzlich dynamisch an genau jenem Kostenblock beteiligen, der aufgrund der demografischen Entwicklung am stärksten wächst.» Mit anderen Worten: Mit Efas würde der Prämiendruck wohl noch grösser – ein Szenario, vor dem vor Monaten selbst der Krankenversichererdachverband Santésuisse warnte.

Basierend auf den Zahlen des Bundes hat der SGB berechnet, dass die Prämien ab der Umsetzung von Efas in siebzehn Kantonen, darunter Zürich, Bern, Basel und Luzern, insgesamt um 480 Millionen Franken steigen würden. Gerade angesichts der demografischen Entwicklung, so Natascha Wey, widerspreche dieser Paradigmenwechsel den Bedürfnissen der Bevölkerung: «Ältere Menschen, die in Alters- und Pflegeheimen leben, sind eine schutzbedürftige Bevölkerungsgruppe. Um für sie sorgen zu können, müssen ausreichende Ressourcen zur Verfügung stehen. In der Logik von Efas jedoch werden sie als Profitquelle für private Leistungsanbieter betrachtet.»

Angestellte unter Druck

Tatsächlich handelt es sich bei der Langzeitpflege um einen Sektor, der als besonders profitabel gilt. Das zeigt sich darin, dass er zunehmend von gewinnorientierten Gesellschaften und multinationalen Konzernen ins Visier genommen wird. So verhiesse die Einführung von Efas auch für die Angestellten in den Heimen und bei der Spitex nichts Gutes. Zumal sieben Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes auch deren Pflegeleistungen nach einer schweizweit einheitlichen Tarifstruktur vergütet werden sollen.

Zu befürchten ist, dass dieser neu zu schaffende Tarif – aufgrund des zusätzlichen Prämiendrucks – so tief wie möglich angesetzt würde, da die Kantone durch ihre gesunkene finanzielle Beteiligung weniger Möglichkeiten hätten, Arbeitsbedingungen durchzusetzen, die mindestens gleichwertig mit den kantonalen Regelungen wären. Noch mehr Fachkräfte und weitere Pflegende würden den Beruf frühzeitig verlassen – trotz klarem Ja zur Pflegeinitiative und nachdem sich schon seit Jahren immer mehr Fachleute nicht mehr imstande sehen, diesen Beruf über längere Zeit auszuüben.

«Unter dem zusätzlichen Profitdruck, den Efas mit sich brächte, würde sich zwangsläufig auch die Pflegequalität verschlechtern», warnt Viviane Hösli. «Personen mit hohem Pflegebedarf und ohne teure Zusatzversicherungen könnten kaum mehr gleich gut wie heute betreut werden.»