Ausstellung: Akrobatik von Zitronen
Was hat sich im trojanischen Schweinchen versteckt? Ganz nah tritt das Publikum an die Hyperrealismen des Neuenburger Malers Till Rabus heran, als wollte es dahinterblicken. «Porcus Troianus» heisst Rabus’ Einzelausstellung in La Chaux-de-Fonds, der heimlichen Hauptstadt des Vergangenen und Vergänglichen mit hübschem Kunstmuseum. Im Obergeschoss lässt sich staunen über Rabus’ Pinselstudien von Lichtreflexionen, den Schattenwurf von schwerem, weissem Tischtuch, das Glitzern zersprungener Rotweingläser oder die Akrobatik von Zitronenschalen.
Es tanzt und wirbelt auf den riesigen Leinwänden – und ist doch längst tot. Ein grosses Fressen in grotesker Stille wird hier mit viel Geduld und technischer Beschlagenheit durchprobiert. Die Erotik der Gegenstände (und Doggen) oder das Profanste (Mayonnaise) trifft auf die glatte Oberfläche von Design – und diese Oberfläche ist bei Rabus noch glatter: Darauf lässt sich ausrutschen und weggleiten. Auch ein leises Bauchweh könnte eintreten, denn schnell hat man sich an der Akribie und der Opulenz dieser Bilder überfressen. Im Schwein steckt vielleicht einfach – noch ein Schwein. Beängstigend ist das, als habe man den Film eines «alten Meisters» in restaurierter HD-Fassung mal wieder angeschaut und bemerkt, wie seltsam distanziert sich seine Vorführung von Welt und Mensch mittlerweile anfühlt.
Dabei kommt es vermutlich auch darauf an, wo man gerade herkommt. Ebenfalls im Beaux-arts versammelt sind derzeit die Werke der 75. Biennale des Kantons Neuenburg; dicht an dicht die verschiedensten Gedankenwelten, Techniken und Materialien. Wer aus dieser Richtung der ausgestellten Ansätze, Einzelheiten und Intimitäten in Rabus’ hyperbarocken Schausaal spaziert, kann sich freuen: über diesen Maler, wie er sich auf seiner anachronistisch wirkenden Position ausbreiten darf und mit dem überdrehten Gestus alter Meisterschaft nach eventuell noch unverdauten Ideen Ausschau hält.