Fliegen und das Klima: Beschönigen, behaupten und verdrängen

Nr. 5 –

Statt die Ziele des Pariser Klimaabkommens ernst zu nehmen, peilt die Flughafen Zürich AG ungehemmt noch mehr Flugverkehr an – und setzt dabei auf CO₂-neutralen Treibstoff.

Nicht nur der Flughafen Zürich ist auf Wachstumskurs. Weltweit kaufen Fluggesellschaften nach der Covid-Pandemie wieder zusätzliche Flugzeuge und bieten neue Verbindungen an. Die Zahl der Passagier:innen wächst, weil Fliegen weiterhin extrem billig ist. Weder wird Kerosin besteuert, noch müssen die Gesellschaften für die Umweltschäden, die sie verursachen, bezahlen.

Doch wie geht das mit dem Klimadesaster zusammen? Die Erderwärmung wird schon bald zusätzliche 1,5 Grad erreicht haben. Gerade in den reichen Industrieländern bräuchte es daher einen starken Absenkpfad beim Ausstoss der Treibhausgase, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens nicht völlig zu verfehlen – und somit eine noch viel schlimmere Katastrophe zu riskieren. Wäre es also nicht vernünftig, das Fliegen stark einzuschränken? Statt solche Fragen zu diskutieren, wird die klimaschädliche Wirkung des Flugverkehrs von der Flugindustrie beschönigt – und auch von weiten Teilen der Politik verdrängt.

Die Flughafen Zürich AG behauptet von sich selbst, dass sie bis 2040 ihre CO₂-Emissionen auf netto null senken werde. Gemeint sind dabei aber nur die Heizung ihrer Gebäude und die Umstellung des Wagenparks auf eine nachhaltige Energieversorgung. Auf den weitaus grössten Brocken jedoch, die Flüge ab und nach Zürich, will die Firma keinen Einfluss nehmen. Die Medienstelle schreibt auf Anfrage, man «engagiere» sich beim Schweizer Unternehmen Synhelion, das «an der Entwicklung von synthetischem, CO₂-neutralem Treibstoff forscht».

«Äusserst ambitioniert»

Synhelion ist ein Start-up der ETH in Zürich. Gegründet wurde es, nachdem Forscher:innen der Hochschule eine Miniraffinerie entwickelt hatten, in der allein durch Sonnenenergie nachhaltiger Treibstoff produziert werden kann. Christian Bach ist Abteilungsleiter bei der Empa, einer Forschungsanstalt für Materialwissenschaften und -technologie im ETH-Bereich, sowie Mitkoordinator eines Schweizer Forschungskonsortiums, das «robuste Versorgungspfade für nachhaltige Treibstoffe» entwickeln soll. Er sagt: «Technisch ist es heute tatsächlich möglich, nachhaltigen Brennstoff mit Solarenergie zu produzieren.» Auch gebe es in diesem Bereich inzwischen viele Akteure wie etwa Synhelion. Allerdings, so Bach, werde weltweit vieles angekündigt – bislang aber nur wenig umgesetzt. Ausserdem: «Das Problem ist, dass wir viel zu spät dran sind und es an ausreichenden Investitionen fehlt.» Es sei «äusserst ambitioniert», die von der Politik vorgegebenen Mengenziele zu erreichen.

Besonders negativ auf das Klima wirkt sich die Fliegerei vor allem auch deshalb aus, weil die Flugemissionen von Stickoxid und Wasserdampf auf grosser Höhe den Treibhausgaseffekt von CO₂ faktisch verdreifachen. Das Bundesamt für Luftfahrt schätzt, dass jährlich hundert Milliarden US-Dollar nötig wären, um in absehbarer Zeit genügend nachhaltiges Kerosin zu produzieren. Diese Investitionen amortisieren sich aber erst sehr viel später, weshalb Financiers entsprechende Engagements bislang scheuen.

Ausserdem, so Christian Bach, seien viele Fragen noch offen: «Im grossen Stil kann synthetischer Treibstoff nur in Wüstenregionen mit viel Platz und viel Sonneneinstrahlung produziert werden.» Zwar gebe es dort genügend Energie, doch fehle es bislang an den regulatorischen Rahmenbedingungen. So sei immer noch unklar, wie die Nachhaltigkeit solcher Grossanlagen nachgewiesen werden müsste – nicht nur hinsichtlich energetischer und sozialer Kriterien, sondern auch bezüglich der nachhaltigen Versorgung mit Wasser.

Beimischpflicht für Kerosin

Die EU hat inzwischen eine Beimischpflicht für Kerosin beschlossen. So müssen in einem ersten Schritt bis 2025 zwei Prozent des Kerosins nachhaltig sein. Bis 2050 sollten es dann siebzig Prozent sein. Zugemischt werden dürfte anfangs vor allem sogenannter Biofuel, also beispielsweise raffinierte Kochölabfälle, deren Mengen aber begrenzt sind. Die Fliegerei bräuchte auf absehbare Zeit also zwingend synthetischen Treibstoff, um die Vorgaben zu erfüllen. Wie sie das erreichen will, steht in den Sternen.

Christian Bach schätzt, dass der Flugverkehr angesichts der prognostizierten Wachstumszahlen trotz Beimischpflicht auch 2050 noch nicht viel weniger Treibhausgase ausstossen wird als heute. Er sieht es daher als notwendig an, dass sich die Staaten auch darauf einigen, die Produktion fossiler Treibstoffe deutlich einzuschränken. Mit billigem Fliegen wäre es dann sofort vorbei.

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