Durch den Monat mit «kurds und bündig» (Teil 3) : Was schätzt ihr aneinander?
Yoldaş Gündoğdu und Serhat Koca sind seit Jahren befreundet – obwohl sie in verfeindeten Wohnquartieren aufwuchsen.

WOZ: Letzte Woche haben Sie bekannt gegeben, dass Sie eine Sendung bei Pro Sieben Schweiz erhalten. «Kurds im Ohr» wird am Montagabend zur Primetime laufen. Wie fühlt sich dieser Sprung ins Fernsehen an?
Yoldaş Gündoğdu: Es ist ein krasses Gefühl. Wenn ich früher den Fernseher einschaltete, sah ich nur Pro Sieben oder ORF. Dass wir da eine Sendung bekommen, ist insane.
Serhat Koca: Uns ist ein Stein vom Herzen gefallen. Wir haben zum Glück Leute im Team, die in der Branche Erfahrung haben. Die haben uns ein bisschen auf den Boden geholt: «Hey, Jungs, chillt. Bis das offiziell ist, kann es jederzeit heissen: ‹Wir machens doch nicht.›» Deshalb sind wir jetzt dankbar, es endlich kommunizieren zu können. Wir kennen uns schon so lange, machen seit zwei Jahren diesen Podcast zusammen, und jetzt ist das der nächste Step. Das macht uns sehr stolz.
Ihr kennt euch seit über zehn Jahren. Wo habt ihr euch kennengelernt?
Gündoğdu: Wir sind beide in Winterthur aufgewachsen, er in Oberi, ich in Töss. Das sind nicht nur geografisch zwei totale Gegenpole. Als einer von Oberi solltest du nicht mit einem von Töss hängen.
Inwiefern?
Gündoğdu: Die Oberi-Menschen und die Töss-Menschen dürfen nichts miteinander zu tun haben, wie Romeo und Julia in modern.
Koca: Es war immer Oberi gegen Töss, ganz einfach.
Gündoğdu: Mit vierzehn sahen wir uns dann über Freunde in der Altstadt, und ich weiss nicht – es passte einfach. Wir sind von derselben Kultur, und ich wusste, wie es bei ihm zu Hause aussieht, bevor ich zur Tür rein bin. Seither sind ich und Sero durch verschiedene Kollegengruppen. Er und ich waren die Konstante, wir blieben immer befreundet.
Koca: Erst mochte ich ihn nicht. Im Gespräch war er anständig, aber sonst ein Blöffer.
Worüber gab er denn an?
Gündoğdu: Gute Frage!
Koca: Yosh hat mit 15 mal auf Facebook ein Foto von sich im «Bolero» gepostet. Das ist ein Club in Winterthur, der ab 21 ist. Er schrieb dazu: «Im Bolero mit 15, obwohls erst ab 21 ist ;)» Ich dachte: Wieso muss der mit so Sachen angeben? Aber dann haben wir uns immer mal wieder unterhalten und wurden recht schnell Freunde. Und man muss auch sagen: Mit 15 ins «Bolero» ist ein krasser Flex.
Gündoğdu: Ich weiss noch, wie dein Zimmer aussah: Links war dein Bett …
Koca: … weil dort die Steckdose war.
Gündoğdu: Und dann so ein Ablagefach darüber …
Koca: … mit Büchern, die ich nie gelesen habe.
Gündoğdu: Und rechts ein Schrank. Schreibtisch, Playstation, Fernseher. Bei mir sah es genauso aus. Ich hab mich sofort zu Hause gefühlt.
Was schätzt ihr aneinander?
Gündoğdu: Serhat ist ein gerader Mensch. Er hat seine Linie, und die fährt er. Er ist extrem loyal und hält mir immer den Rücken frei. Für mich ist klar, dass Serhat der Onkel meiner Kinder wird.
Koca: Wenn unsere Kinder sich nicht mögen, schliessen wir sie in ein Zimmer und lassen sie erst wieder raus, wenn sie sich gernhaben.
Gündoğdu: Genau.
Koca: Yoldaş ist halt mein Safe Space. Ich bin ein Mensch, der nicht oft von eigenen Problemen erzählt, ich habe eher das Gefühl, dass ich die selbst aus der Welt schaffen muss. Aber ich weiss, dass ich immer zu Yosh kann und nicht verurteilt werde. Und ich weiss, mir geht es besser, wenn ich mit ihm geredet habe.
Männerfreundschaften werden in der Öffentlichkeit selten verhandelt. Sie machen das anders. Wer Ihnen zuhört, merkt sofort: Die beiden haben sich sehr gern.
Gündoğdu: Kürzlich hat jemand in den sozialen Medien ein Bild von uns gepostet. Man sieht darauf, wie wir gemeinsam einen Kuchen anschneiden und ich Serhat ein Küsschen auf die Wange gebe. Dazu schrieb der Typ: «Was erwartisch vo zwei F*** wie dene.» Ich dachte da zum ersten Mal: Ah, vielleicht kommt unser Verhalten komisch rüber. Dann verwarf ich den Gedanken gleich wieder.
Koca: Was wir zeigen, ist einfach ehrliche, brüderliche, bedingungslose Liebe. Weil wir das fühlen, nicht weil wir denken, das kommt gut oder schlecht an.
Mit welchen Männlichkeitsbildern sind Sie aufgewachsen?
Gündoğdu: Meine Mutter zeigte mir kurdische Dichter, mit denen bin ich aufgewachsen. Und mit all den Cartoons. Bruce Wayne oder Johnny Bravo, der immer ein Arschloch gegen Frauen war und auf die Fresse bekam. Natürlich wächst du auch mit männlichen Stereotypen auf, ich habe denen aber nie entsprochen. Alle meine Skills, hard oder soft, ausser IT und Technik, würde man als weiblich lesen.
Koca: Mir wurde zu Hause nie gesagt: «Sei ein Mann, mache dies und das.» Es war mehr: «Sei ein Erwachsener.» Vorbild ist für mich auf jeden Fall mein Vater. Ich hab gesehen, was er für einen Weg gegangen ist und wie er und meine Mutter bis heute ein sich liebendes Team sind. King einfach.
Die Sendung «Kurds im Ohr» von Yoldaş Gündoğdu (28) und Serhat Koca (29) läuft voraussichtlich ab Mai jeden Montag um 19.55 Uhr auf Pro Sieben.