Durch den Monat mit «kurds und bündig» (Teil 1): Was läuft falsch in der Schweizer Comedyszene?

Nr. 5 –

Yoldaş Gündoğdu und Serhat Koca erreichen mit ihrem Podcast «kurds und bündig» jede Woche 12 000 Menschen. Ihre Mission: mehr migrantische Perspektiven in der Öffentlichkeit.

Yoldaş Gündoğdu und Serhat Koca im Studio in Winterthur
«In der Schweiz gehen Videos viral, wenn ein Comedian sagt: ‹Ich bin Schwarz und trage einen Kuhgurt›»: Yoldaş Gündoğdu und Serhat Koca im Studio in Winterthur.

WOZ: Vor zwei Jahren haben Sie die erste Folge Ihres Podcasts in einem Zimmer in der Wohnung von Yoldaş Gündoğdus Mutter aufgenommen. Heute gehört «kurds und bündig» zu den meistgehörten Podcasts der Schweiz. Wie haben Sie das geschafft?

Yoldaş Gündoğdu: Als wir anfingen, hörten viele Menschen in meinem Umfeld keinen einzigen Schweizer Podcast. Weil die ihr Leben einfach null abgebildet haben. Da waren …

Serhat Koca: Und sind nach wie vor!

Gündoğdu: … viele alte weisse Männer. Oder Männer, die als Ausländer gelesen werden und Witze über sich selbst machen. Da können Leute mit einem ähnlichen Hintergrund wie wir nichts mit anfangen. Wir dachten, es braucht einen Podcast für die, für uns.

Migrantische Perspektiven fehlten also bisher in der Podcastlandschaft?

Gündoğdu: Absolut. Zusätzlich wird einem oft suggeriert: Junge Migrant:innen, das ist keine Zielgruppe. Dabei geht vergessen, dass ein Drittel der Menschen in der Schweiz einen Migrationshintergrund haben.

Koca: Bruder, es sind vierzig Prozent.

Gündoğdu: Vierzig Prozent! Das ist doch einfach keine Nische.

Sie nennen sich Comedypodcast, aber für Ihre Fans sind Sie mehr als das. Eine Hörerin sagte mir: «Die verstehen mich und ich verstehe sie.»

Gündoğdu: Ich glaube, es funktioniert aus zwei Gründen. Erstens: Wir sind authentisch. Alles, was wir erzählen, ist uns so passiert. Da ist nichts gescriptet. Das merkt man. Zweitens: Es ist kein Larifari-Podcast. Wir haben von Tag eins an professionell aufgenommen, haben Plattformen wie Tiktok oder Youtube genutzt. Und heute spielen wir ausverkaufte Shows. Das kommt nicht von ungefähr.

Sie machen sich in Ihrem Podcast öfter über die Schweizer Comedyszene lustig. Was läuft dort schief?

Gündoğdu: Ein grosses Problem sind Komiker mit Migrationshintergrund. Ich stelle mir vor, wie die überlegen: Wie bringe ich einen Ueli zum Lachen? Haha, ich hasse Frauen, haha, ich kann Deutsch. In der Schweiz gehen Videos viral, wenn ein Comedian sagt: «Ich bin Schwarz und trage einen Kuhgurt.»

Koca: Früher war das vielleicht lustig, dieses Betonen von Unterschieden. Das ist jetzt kein Hate oder wir gönnen nicht oder so. Schön, wenn du damit was erreicht hast. Aber Comedy auf Kosten der eigenen Kultur, damit Schweizer:innen was zu lachen haben? Das macht man einfach nicht mehr.

Gündoğdu: Wir werden nicht als Schweizer gelesen, und dennoch sind wir Schweizer. Das ist der Spagat, den wir unser Leben lang hinkriegen müssen. Und daran darf man sich bedienen, sich sogar drüber lustig machen. Aber ich will, dass die Entscheidung darüber, wie wir das machen, bei uns liegt.

Sie nennen «kurds und bündig» den Podcast «für Menschen, deren Nachname im Word rot unterstrichen ist».

Gündoğdu: Das kommt grundsätzlich gut an. Aber die lautesten Stimmen sind immer noch die, die sagen, ich heisse Melanie, darf ich denn euren Podcast nicht hören? Doch, Melanie, natürlich. Alle sind willkommen. Aber den Content machen wir nicht für dich.

Koca: Ich habe manchmal ein schlechtes Gewissen, wenn ich mich über so typische Schweizer lustig mache. Ich bin mehr als dankbar, dass ich in der Schweiz auf die Welt gekommen bin. Das ist ein Privileg.

Gündoğdu: Diese Einstellung haben viele Menschen mit Migrationshintergrund: Wir müssen dankbar sein. Man sieht sich als Gast – und verhält sich entsprechend. Aber ich und Sero sind an einem Punkt, wo wir unseren Spot claimen. Wir hocken nicht aufs Maul.

Das hat Ihnen auch schon Vorwürfe eingebracht: Hörer:innen kritisierten Wörter, die Sie im Podcast verwendeten, etwa «Hurensohn» oder «behindert».

Koca: Es ist nicht so einfach. Wir hatten als Kind keinen Herrn Meier, keine Franziska, die uns gesagt haben, wie wir reden sollen.

Ihre Eltern haben Sie nie zurechtgewiesen?

Koca: Wenn wir als Kind oder Jugendliche so vor unseren Eltern geredet hätten, wir hätten grad kassiert.

Gündoğdu: Mal abgesehen davon, dass unsere Eltern uns gar nicht verstanden hätten.

Koca: Ich bin mit Yoldaş aufgewachsen, das ist unsere Sprache, mit der wir gross geworden sind. Und es ist die Sprache von vielen anderen. Aber wir finden, dass man diese Wörter so gut es geht nicht mehr brauchen sollte. Wir haben 29 Jahre lang so geredet und versuchen, das nicht mehr zu tun. Das thematisieren wir auch im Podcast.

Am 5. Februar spielen Sie eine grosse Geburtstagsshow im Zürcher Bernhard-Theater – wie fühlt sich dieser Erfolg an?

Koca: Von der Reichweite her sind wir erfolgreich. Finanziell sind wir «broke as fuck».

Gündoğdu: Aber es geht auch nicht nur darum. Ich meine: Wann hat das Bernhard-Theater jemals Menschen mit Haaren auf dem Rücken gesehen?

Es ist eure Zeit.

Gündoğdu: U huere.

Die Winterthurer Yoldaş Gündoğdu (28) und Serhat Koca (29) alias Yosh und Sero sind seit Kindestagen befreundet. «kurds & bündig», der Podcast «vo de schönste Kurde», feiert im Februar seinen zweiten Geburtstag.