Durch den Monat mit «Kurds und bündig» (Teil 4): Können Depressionen eine Freundschaft stärken?

Nr. 8 –

Yoldaş Gündoğdu und Serhat Koca sprechen in ihrem Podcast auch über persönliche Erfahrungen mit psychischen Erkrankungen. Sie sagen, Menschen mit ihrer Reichweite und Zielgruppe müssten Tabus ansprechen.

Yoldaş Gündoğdu und Serhat Koca
«In der Zeit, in der es mir so elend schlecht ging, war er die einzige Person, die immer an meiner Seite stand»: Yoldaş Gündoğdu (vorn) über Serhat Koca.   

WOZ: Yoldaş Gündoğdu, in einer der berührendsten Folgen von «kurds und bündig» sprechen Sie mit dem Rapper Freezy über Ihre psychische Erkrankung. Wann haben Sie gemerkt, dass etwas nicht stimmt?

Yoldaş Gündoğdu: Das war 2019, kurz bevor die Pandemie begann. In dieser Zeit arbeitete ich viel, bis zu fünfzehn Stunden pro Tag. Irgendwann merkte ich, dass ich seit drei Tagen nicht mehr geduscht hatte. Und ich dusche sonst oft, im Sommer mehrmals pro Tag. Aber ich schaffte es einfach nicht aus meinem Bett heraus. In der Zeit wohnte ich mit Serhat und einem anderen Freund in einer WG zusammen. Neben uns war eine andere WG, auch alles Freunde. Während Corona waren die anderen ständig zusammen. Sie haben Brettspiele gespielt, Filme geschaut, jeden Tag und jeden Abend. Ich war fast nie dabei, mir fehlte die Energie.

Serhat Koca: Für mich und unsere anderen Freunde war diese Konstellation mit den zwei WGs ein Traumszenario. Wir waren beste Freunde und alle am selben Ort. Wir fragten Yosh immer wieder, ob er mit uns was machen will. Aber er sagte immer, er könne nicht, er wolle nicht, er möge nicht. Und irgendwann hörten wir auf, ihn zu fragen und fanden: «Du machst eh nicht mit, wieso fragen wir dich überhaupt.»

Suchten Sie das Gespräch mit ihm?

Koca: Klar. Er erklärte mir, dass es verschiedene Faktoren seien, die ihn seit längerem beschäftigen.

Gündoğdu: Es war so eine innere Finsternis, ich kann es nicht anders erklären ... Sorry, jetzt habe ich dich unterbrochen.

Koca: Alles gut. Ich sagte dann den Jungs, wir sollten wieder öfter mit ihm reden und versuchen, ihn zu unterstützen. Aber ich machte mir auch Vorwürfe, weil ich dachte, ich hätte ihm zuvor mit meinem Verhalten geschadet.

Gündoğdu: Ich war einfach sehr fragil. Sie fragten mich zehn Mal, neun davon hatte ich keine Energie, beim zehnten Mal schaffte ich es aus dem Bett, schaute in den Spiegel und dachte: So kannst du nicht raus.

Sie waren zu erschöpft, um sich zu erklären.

Gündoğdu: Irgendwann checkte ich: Okay, das ist eine Krankheit, und die nehme ich jetzt an. Ab da wurde es besser. Und irgendwie hat es unsere Freundschaft auch gestärkt: In den anderthalb Jahren, in denen es mir so elend schlecht ging, war Sero die einzige Person, die immer an meiner Seite stand. Obwohl mein Verhalten ihn durchaus dazu berechtigt hätte zu gehen.

Ist Ihr Freundeskreis heute sensibilisiert?

Koca: Für uns ist nach wie vor schwierig, dass wir nicht fühlen können, was Yosh fühlt. Aber wir können mit Feingefühl auf das Thema eingehen. Mehr braucht er nicht, das hat er selbst auch gesagt: «Das Wichtigste ist, dass ich weiss, ihr seid da, wenn ich Unterstützung brauche.» Seither sind auch einige von uns zu Yosh, wenn es uns nicht gut ging. Er ist jemand, der sich voll in ein Thema hineingibt, wenn es ihn beschäftigt.

Wo stehen Sie heute?

Gündoğdu: Ich kann nicht sagen, dass es mir wieder richtig gut geht. Man muss einfach versuchen, damit klarzukommen. Ich ging damals zum Arzt und machte eine Therapie. Im Moment nehme ich Antidepressiva. Es ist nicht einfach für mich, weil ich weiss: Wir leben gerade einen Traum. Das ist das, worauf wir zwei Jahre lang hingearbeitet haben. Ich denke mir so: Hey, ich habe mich mein Leben lang auf diesen Moment gefreut. Aber wann soll ich das alles geniessen?

Ist es ein Privileg, sich mit seiner psychischen Gesundheit auseinandersetzen zu können?

Gündoğdu: Es ist ein mega Privileg, diese Gefühle wahrnehmen zu dürfen. Die Gewissheit zu haben: Ich bin in einem Sozialstaat, ich darf sagen, dass es mir nicht gut geht, und mir wird geholfen. Meine Eltern hatten dieses Privileg nicht. Aber auf der anderen Seite muss ich auch sagen: Viele meiner Probleme kommen von den Problemen, die meine Eltern hatten. Man versucht dann halt, einen Kreis zu durchbrechen. Ich hätte gern Kinder, aber das Letzte, was ich will, ist, sie mental abzufucken.

Mit Podcastfolgen wie derjenigen über Mental Health brechen Sie auch Tabus.

Koca: Auf jeden Fall. Das schönste Feedback kam damals von jemandem, dem es nicht gut ging. Nachdem er die Folge gehört hatte, meldete er sich für eine Therapie an. Dass wir Menschen zu diesem Schritt verhelfen können, ist wirklich schön. Vor allem, weil wir aus einem Kulturkreis sind, in dem es solche Themen einfach nicht gibt. Da heisst es: «Was tust du so? Steh einfach auf und mach weiter.»

Gündoğdu: Wir sehen uns aber nicht als Pioniere. Wir versuchen einfach, das zu machen, was uns früher gefehlt hat.

Koca: Seit wir eine gewisse Reichweite haben, ist uns klar: Wir wollen sie nutzen, um Dinge anzusprechen, über die man in unserem Kulturkreis früher geschwiegen hat. Es gibt in der Schweiz wenig Menschen in der Öffentlichkeit, die Migra-Kids ansprechen. Diejenigen, die das tun, müssen solche Tabus ernst nehmen. Das ist unsere Pflicht.

Yoldaş Gündoğdu (28) hat manchmal Tage, an denen er die Aufnahme verschiebt, weil es ihm nicht gut geht. Serhat Koca (29) erwidert jedes Mal: «Kein Problem, Bro.»