Immokonzerne im Abseits: Basel zeigt, wie Wohnschutz geht

Nr. 11 –

Keine Massenkündigungen mehr, keine Renditesanierungen. Das neue Basler Wohnschutzgesetz ist eine grosse Erfolgsgeschichte – die in Zürich fortgesetzt werden könnte.

Brigitte Langegger in ihrer Wohnung
«Ich bin so wütend, ich kann nicht mal mehr schlafen in der Nacht!»: Brigitte Langeggers Wohnung im Basler Quartier Gundeldingen wurde noch nach altem Recht saniert.

Ortstermin in Basel Gundeldingen. Das frühere Arbeiter:innenquartier gleich hinter dem Bahnhof steht seit Jahren unter starkem Aufwertungsdruck. Es ist wie in vielen Schweizer Städten: Allenthalben wird aufgehübscht, aufgestockt, abgerissen und neu gebaut. An der Dornacherstrasse 20 sind die Bauarbeiten schon abgeschlossen. Doch die Bewohner:innen wünschen sich, sie hätten nie begonnen.

Zu Besuch bei Brigitte Langegger. Sie lebt dort allein in einer kleinen Zweizimmerwohnung. 69 Jahre alt, in Tirol geboren, doch schon mit 20 von dort abgehauen, «geflüchtet vor den fürchterlichen österreichischen Männern», wie sie beim Kaffee erzählt. In ihrer Wohnung funkelt es aus allen Ecken, im Glastisch steckt Flitter, die Vorhänge glitzern, und selbst im Wasserhahn ist ein LED-Licht integriert. Eine aussergewöhnliche Wohnung, aber nicht mehr dieselbe wie vor der Sanierung. «Ich bin so wütend, ich kann nicht mal mehr schlafen in der Nacht!», klagt sie.

«Alles unnötig»

Die Eigentümerin, eine Tochterfirma der Credit Suisse, hat die Überbauung in den letzten Monaten umfassend saniert. Sie hat in Langeggers Wohnung einen neuen Boden verlegt, hat aus dem verglasten Balkon einen offenen gemacht und die Wand herausgerissen, die das Wohnzimmer von der Küche getrennt hatte. «Alles unnötig, aber wirklich alles», sagt Langegger. Der Boden ist schief, auf dem Balkon hats Tauben, und zwischen Küche und Stube steht nun eine wuchtige Wohnwand, die sich die Pensionärin angeschafft hat, um die alten Verhältnisse wiederherzustellen. Lohnend war der Umbau bloss für die Credit Suisse: Statt 1260 Franken Miete pro Monat kassiert sie neu 1670 Franken.

Am Erscheinungstag dieser WOZ-Ausgabe findet in Basel ein zweites Treffen statt, das vieles aussagt über die Befindlichkeiten in der Stadt, wenn es ums Wohnen geht. Dann ist das sogenannte Basler Investorengespräch. Einmal pro Jahr kommt die Bau- und Immobilienbranche zusammen, um mit der Regierung übers Geschäft und Regulierungen zu plaudern. Ins Leben gerufen hat diese Gespräche die frühere SP-Finanzdirektorin Eva Herzog. Sie sollten die Immobranche in die langjährige Regierungspolitik integrieren, gute Steuerzahler:innen anlocken.

Doch mittlerweile ist diese Politik Geschichte – und die Geschäftemacherei mit bestehendem Wohnraum gleich mit. Die Stimmung am Investorengespräch wird deswegen ähnlich sein wie im Gundeldinger Quartier: so schlecht wie nie zuvor. Seit bald zwei Jahren reguliert ein neues Wohnschutzgesetz – das strengste der Schweiz – die Sanierungstätigkeit auf dem Basler Wohnungsmarkt. Renditegetriebene Sanierungen wie an der Dornacherstrasse, wo gerade noch nach altem Recht umgebaut wurde, sind nicht mehr möglich. Dort hätte der Mietaufschlag nach neuem Recht nicht 410, sondern maximal 80 Franken betragen dürfen.

Kaum mehr Massenkündigungen

«Das Gesetz wirkt», sagt Pascal Pfister, Kopräsident des Basler Mieter:innenverbands. Schon 500 Wohnungen wurden vor überrissenen Mieterhöhungen bewahrt. Und das Gesetz funktioniert nicht nur als effektive Mietzinskontrolle, es verhindert auch Massenkündigungen. In den fünf Jahren vor der Abstimmung registrierte der Mieter:innenverband weit über tausend Personen, die im Rahmen von Massenkündigungen ihre Wohnung verloren haben. Seit 2022 sei diese Zahl fast auf null gesunken, sagt Pfister.

Wie gut das Gesetz wirkt, lässt sich auch am Gebaren der Gegenseite ablesen. Die Versicherungskonzerne Helvetia und Baloise haben alle Sanierungsprojekte sistiert. Statt drei Prozent Rendite würden sie nur ein Prozent auf sanierte Wohnungen erzielen, beklagte sich ein Baloise-Manager in der «Basler Zeitung». Bei den 1200 eigenen Wohnungen im Stadtkanton würde deshalb nun nur noch das Nötigste gemacht. Das Kapital, es ist in den Streik getreten.

«Es ist vor allem ein politisches Powerplay», glaubt Pfister, mit dem Ziel, Druck auf die Regierung auszuüben, die von der Bevölkerung verlangte Regulierung abzuschwächen. Das Kapital, es fremdelt mit der Demokratie. In den nächsten Wochen muss die Regierung auf parlamentarische Vorstösse eingehen, die zahlreiche Aufweichungen der Gesetzgebung verlangen. Und es läuft eine Untersuchung des neuen Wohnschutzes durch die Verwaltung. Schneller interveniert und evaluiert wurde nie.

Obwohl andere bedeutende Investoren wie Swiss Life oder Zurich auf Anfrage sagen, sie würden weiterhin in Basel sanieren, hat sich die Bautätigkeit verringert. Das schlägt Handwerker:innen und Baufirmen aufs Geschäft. Man stelle eine deutliche Veränderung der Auftragslage fest, sagt der Basler Gewerbedirektor Reto Baumgartner. «Viele unserer Mitglieder berichten von massiven Umsatzeinbrüchen.» Zudem würden auch energetische Sanierungen zurückgestellt. Er plädiert für «Augenmass bei der Anwendung der Wohnraumschutzbestimmungen».

Eine schwierige Gemengelage. Pascal Pfister hält dagegen, dass der Wohnschutz ökologische Sanierungen ja gerade unterstütze und nicht etwa bremse. Es sei aber nicht überraschend, dass sich viele Eigentümer:innen zurückhalten würden, bis sich eine neue Praxis etabliert habe. Das sei in Genf, wo es schon länger wirksame Wohnschutzbestimmungen gebe, gleich gewesen. Sollte das Gesetz jetzt schon geändert werden, könnte der Mieter:innenverband nebst einem Referendum auch eine Durchsetzungsinitiative lancieren, sagt Pfister. Es wäre die dritte Volksinitiative in der Sache, nachdem das Anliegen trotz drei grossen Ja-Erfolgen immer wieder gegen den Willen der Stimmbürger:innen von Parlament und Regierung verwässert worden ist.

Jetzt ist Zürich dran

Vorerst geht der Kampf um einen wirksamen Wohnschutz aber an einem anderen Ort weiter: im Kanton Zürich, wo es für die Immobilienbranche um noch viel mehr Investitionen, um mehr Renditen als in Basel geht. In Zürich reichten linke Parteien und der Mieter:innenverband letzten Monat ihre eigene Wohnschutzinitiative ein. Sie ist deutlich schlanker gehalten als der Basler Initiativtext, wo man den Wohnschutz seitenlang bis ins kleinste Detail ins Gesetz schreiben liess. Die Erfahrungen einer löchrigen Umsetzung hat Zürich noch nicht gemacht.

Gleichwohl wirkt Albert Leiser, Direktor des Zürcher Hauseigentümerverbands, am Telefon angespannt. Leiser sagt, man könne in Genf und jetzt in Basel sehen, wie ein gut gemeintes Anliegen nur negative Folgen für die Bevölkerung habe. «Irgendwann haben sie Wohnungen, die nicht mehr bewohnbar sind, die sie aus technischen Gründen abreissen müssen.» Das würde ihn traurig machen. Es ist eine interessante Interpretation der Lage. Denn tatsächlich sind Eigentümer:innen verpflichtet, ihre Wohnungen zu unterhalten – dafür müssen sie Rückstellungen auf den Mieteinnahmen vornehmen. Doch genau diese Rückstellungen, das zeigen laut Mieter:innenverband Fälle in Basel, würden oft nicht gemacht.

Im alten Modell, das vom Bundesrecht bestimmt wurde, liessen sich von grossen Sanierungen bis zu siebzig Prozent auf die Mieterschaft abwälzen. Grosse Reserven waren da nicht nötig. Nun können Liegenschaftsbesitzer:innen in Basel und vielleicht auch bald in Zürich nur klar wertvermehrende Investitionen und auch nur zu maximal fünfzig Prozent an die Mieten anrechnen.

Eine paritätisch zusammengesetzte Wohnschutzkommission kontrolliert jede Ausgabe ganz genau. Das zeigt sich in Basel Kleinhüningen. Dort saniert der Kanton 192 Wohnungen im Besitz der eigenen Immobiliengesellschaft. In der Siedlung Wiesengarten wohnen viele einkommensschwache Familien und ältere Personen. Neue Fugendichtungen, neue Dampfabzüge, Storen und viele andere Dinge wollte der Kanton vergeblich anrechnen lassen. Letztlich wurde nur ein Viertel der Investitionen als wertvermehrend eingestuft. Die bewilligten Mietaufschläge im Durchschnitt: 42 Franken.

Ganz anders lief es an der Dornacherstrasse nach altem Recht. Für einen Grossteil der Investitionssumme musste die Eigentümerin Credit Suisse nicht einmal den Verwendungszweck angeben. Zwei Dutzend Bewohner:innen und der Mieter:innenverband gehen nun gerichtlich gegen die Mieterhöhungen vor. Üblich ist mittlerweile indes die andere Konstellation: Eigentümer:innen klagen, weil sie ihre Sanierungskosten nicht überwälzen dürfen. Investoren wie Swiss Life schicken Staranwält:innen selbst für kleine Projekte vor. Der Mieter:innenverband wiederum versucht dagegenzuhalten. Denn der juristische Streit ist relevanter als das politische Geplänkel: Wenn das Bundesgericht das Basler Modell bestätigt, ist der Weg frei für einen strengen Wohnschutz in allen Schweizer Städten.