Manuela Schiller: Was tun gegen die Wohnungsnot in Zürich?
WOZ: Manuela Schiller, in der Stadt Zürich können sich bald nur noch Reiche eine Mietwohnung leisten. Wo stehen wir da gerade?
Manuela Schiller: Wir leiden noch immer unter den Folgen dessen, was vor zwanzig Jahren geplant wurde. Um eine sozialere Wohnpolitik durchzusetzen, bräuchte es zuerst Mehrheiten im Kanton – und für einen wirksamen Mieter:innenschutz eine Änderung auf nationaler Ebene. Das braucht Jahre.
WOZ: Überall heisst es: Verdichten, verdichten …
Manuela Schiller: Das tönt ja gut. Vor allem wenn man bedenkt, dass Zürich weit weniger dicht bewohnt ist als Basel oder Genf. 1962 wohnten hier schon mal über 440 000 Menschen, so viele wie heute. Nur: Heute ist der Flächenverbrauch pro Person viel grösser. Und wegen der vielen durch Neubauten ersetzten Gebäude geht laufend günstiger Wohnraum verloren, sodass immer mehr Menschen aus der Stadt verdrängt werden. Zwischen 2000 und 2004 waren 17 Prozent aller neuen Wohnungen Ersatzneubauten – in den letzten vier Jahren 55 Prozent. Auch nach Sanierungen steigen die Mieten exorbitant. So kommt es immer wieder zu Massenkündigungen.
WOZ: Gibt es realistische Gegenmassnahmen?
Manuela Schiller: Die Stadtzürcher Umsetzungs-Initiative der Alternativen Liste (AL) will in der Gemeindeordnung verankern, dass bei Aufzonungen grösserer Areale – dem Ausbau der Nutzungen in bestehenden Bauzonen – die Mieten für alle zusätzlich möglichen Wohnungen nur so hoch sein dürfen wie die Kosten, die dem Eigentümer dafür anfallen. Das gäbe klare Regeln für die Revision der Bau- und Zonenordnung und die vorgesehenen Verdichtungsgebiete. Auch mit der Annahme der kantonalen Wohnschutz-Initiative von AL, SP, Grünen und Mieter:innenverband, die spätestens Mitte 2026 zur Abstimmung kommt, hätten die Gemeinden ein griffiges Instrument.
WOZ: Inwiefern?
Manuela Schiller: Bei Sanierungen würden Mieterhöhungen begrenzt; und bei Ersatzneubauten müsste bezahlbarer Wohnraum im Umfang der abgerissenen Wohnungen garantiert sein. Bei Grossprojekten wie jüngst bei der Siedlung Frohburg der Helvetia-Versicherung wurde das ansatzweise bereits erkämpft. Auch wenn die allgemeine Rechtslage nicht so schnell zu ändern ist: Parlamentarischer und ausserparlamentarischer Druck lohnt sich immer.
Die Anwältin Manuela Schiller (67) präsidiert seit 2003 den Stadtzürcher Mieter:innenverband. Sie ist Mitglied der Alternativen Liste (AL).