Film: Die Kinderfabrik im Jura

Nr. 19 –

Filmstill aus «Né à Belfond. Versteckt geboren»
«Né à Belfond. Versteckt geboren». Regie und Buch: Christa Miranda. Schweiz 2024. Auf SRF in der «Sternstunde Religion»: So, 12. Mai 2024, 10 Uhr.

Auch nach 59 Jahren verschlägt es ihr noch die Stimme: Sie habe das Kindlein in relativ kurzer Zeit geboren, erzählt Agnes G. an ihrem Stubentisch, «und man hat mir dann das Kind einfach weg…». Ihre Stimme bricht ab, sie hält eine Hand vor den Mund. Schnitt. Wir sehen den mittlerweile leer stehenden Raum in einem Haus in Belfond, in dem Agnes vor bald sechzig Jahren ihre Tochter geboren hat.

«Né à Belfond. Versteckt geboren» heisst der Dokumentarfilm von Christa Miranda, der von diesem abgelegenen Haus im Jura erzählt; die Einheimischen nannten es «La Kinderfabrik». Zwischen 1952 und 1978 wurden unverheiratete (und oft sehr junge) Frauen aus der ganzen Schweiz hierhergebracht, eingewiesen von ihren Eltern oder von Behörden. Hier konnte die Schwangerschaft geheim gehalten werden, so kam keine «Schande» über die Familie. 920 Kinder wurden in dem von der katholischen Schwesterngemeinschaft Seraphisches Liebeswerk geführten Haus geboren. Viele von ihnen wurden zur Adoption weitergegeben, oft gegen den Willen der Mütter.

Neben Agnes kommen in Mirandas Film auch eine Hebamme, die in Belfond gearbeitet hat, sowie die frühere und die heutige Oberin der Schwesterngemeinschaft zu Wort. Sie sind noch immer überzeugt, nur zum Wohl der Mütter und Kinder gehandelt zu haben. Mit Nicole Wey und Urs Zoller porträtiert Miranda auch zwei in Belfond Geborene. Und auch wenn Wey und Zoller grosses Verständnis für die Situation ihrer Mütter zeigen und betonen, dass sie mit ihren Adoptivfamilien Glück gehabt hätten, wird der Schmerz spürbar, den die gewaltsame Trennung für immer hinterlassen hat. «Wir Adoptierten sind ein eigenes Völklein», sagt denn auch Zoller an einer Stelle.

Mirandas Film ist nicht anklagend. Die Regisseurin sucht nach Antworten und Erklärungen und lässt den Protagonist:innen, die sich ihr gegenüber bewundernswert offen zeigen, viel Raum. Und doch bezieht sie klar Stellung, wenn sie das letzte Wort Agnes G. überlässt: «Es war nicht richtig, was man gemacht hat.»