Film: Frau als Beute

Nr. 23 –

Filmstill aus «Inshallah a Boy»: eine Frau umarmt ein Kind
«Inshallah a Boy». Regie: Amjad Al Rasheed. Jordanien/Frankreich/Saudi-Arabien/Katar 2023. Jetzt im Kino.

Seit 2022 sind Frauen und Männer in Jordanien verfassungsrechtlich gleichgestellt. Laut Amnesty International führte das bislang aber noch zu keinen nennenswerten Gesetzesänderungen. Die im Land seit Jahren angeprangerten Menschenrechtsverletzungen gegenüber Frauen und Mädchen halten an. Das diskriminierende Erbrecht, von dem Amjad Al Rasheeds Spielfilmdebüt «Inshallah a Boy» handelt, ist da noch der harmlose Teil – und trotzdem ein anschauliches Beispiel für die weitreichenden Folgen struktureller Benachteiligung.

Nawal (Mouna Hawa) lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in einem einfachen, konservativen Stadtteil von Amman. Bei einer wohlhabenden Familie arbeitet sie schwarz als Pflegerin und finanziert so die Familie mit. Auch zur Eigentumswohnung hat sie einen Anteil beigesteuert. Doch dann stirbt überraschend ihr Mann, und nichts davon zählt mehr: Weil sie den Kaufvertrag der Wohnung ohne Arbeitspapiere nicht unterzeichnen konnte und sie keinen Sohn hat, dem der Nachlass ihres Mannes zustehen würde, droht ihr Schwager, die Kontrolle über ihr Leben zu übernehmen. Retten würde sie nur eins: schwanger zu sein mit einem Jungen.

In einer besonders traurigen und schönen Szene erkennt sich Nawal in der Maus wieder, die sie seit Tagen vergeblich gejagt hat und die nun tot vor ihr auf dem Küchenboden liegt – in die Enge getrieben, unschädlich gemacht, nur weil sie auch etwas vom Kuchen abhaben wollte. «Inshallah a Boy» lief letztes Jahr als erster jordanischer Beitrag überhaupt in Cannes, in der Semaine de la Critique. Die Handlung ist zwar leicht überfrachtet; dank seiner realistischen Beiläufigkeit und der grossartigen Hauptdarstellerin wirkt der Film trotzdem nur selten bemüht. Er vermeidet es, das Problem ausschliesslich auf die muslimische Kultur zu schieben, und nimmt stattdessen die gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen von Diskriminierung in den Blick, die auch hierzulande wahre Gleichberechtigung erschweren: mangelnde Chancengleichheit und verinnerlichte Rollenerwartungen.