Auf allen Kanälen: Einschüchterung als Strategie
Zwei afghanische Geschäftsmänner stehen auf der US-Sanktionsliste. Als deutsche Medien darüber berichten, gehen sie juristisch gegen diese vor.
Die Vorwürfe wiegen schwer. Mir Rahman Rahmani und sein Sohn Haji Ajmal Rahmani sollen im vergangenen Jahrzehnt ein Korruptionssystem in Afghanistan etabliert haben. Konkret geht es um den Treibstoffhandel mit den damals in dem Land stationierten Nato-Truppen. Die Geschäftsmänner sollen Preise künstlich in die Höhe getrieben und Zollbeamte bestochen haben. So dokumentierte es das US-Finanzministerium in einem umfangreichen Dossier, das im Dezember veröffentlicht wurde. Seither stehen die beiden Rahmanis und ihr Firmengeflecht auf der US-Sanktionsliste.*
Das hat grosse Konsequenzen. Keine US-Firma darf mehr mit den Rahmanis geschäften, sämtliche Gelder und Besitztümer der beiden in den USA sind gesperrt. Hinzu kommt ein gewaltiger Reputationsschaden. Die Geschäftsmänner haben in den USA gegen die Sanktionierung geklagt, zunächst erfolglos, aber das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Es ist ihr gutes Recht, sich juristisch zu wehren. In einem anderen Punkt jedoch ist ihr Vorgehen fragwürdig.
Auch WOZ-Autoren betroffen
Nach der Publikation des Rahmani-Dossiers durch das US-Finanzministerium berichtete der Journalist Thomas Ruttig, der auch schon für die WOZ über Afghanistan geschrieben hat, in der «taz» über den Fall. Die Rahmanis wurden laut «taz» um Stellungnahme zu den Vorwürfen gebeten, doch statt einer Antwort kam eine Klage gegen die Zeitung und den Autor. «Das offensichtliche Ziel: jede weitere Berichterstattung zu dem Fall unterbinden, wie dies eine vorformulierte Unterlassungserklärung auch explizit fordert», schrieb die «taz» dazu. Eine ähnliche Erfahrung machte WOZ-Autor Emran Feroz. Er ordnete die Sanktionierung der Rahmanis in einem Interview mit dem Südwestrundfunk ein – und wurde ebenfalls mit einer Unterlassungserklärung bedacht.
Dabei ist das öffentliche Interesse am Fall zweifellos hoch, denn die Rahmanis investieren im grossen Stil in Immobilienprojekte in Deutschland. Besonders prestigeträchtig sollte ein Projekt in Ehningen werden, einer Ortschaft im Stuttgarter Speckgürtel, wo Ajmal Rahmani einen Tech- und Wohncampus namens «Quantum Gardens» errichten wollte. Zum Spatenstich 2023 kam gar Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Das Projekt wurde mittlerweile gestoppt, wie die «taz» berichtet. Nach Recherchen von «ZDF frontal» investierte Rahmani von 2018 bis 2022 ausserdem rund 200 Millionen Euro in Immobilien in München und Frankfurt.
Für das juristische Vorgehen gegen Thomas Ruttig, Emran Feroz und die «taz» engagierten die Rahmanis die Kanzlei Höcker aus Köln. Diese vertrat auch schon die rechtsextreme AfD bei einer Klage gegen die Beobachtung durch den deutschen Inlandsgeheimdienst (BfV). Zudem arbeitete Hans-Georg Maassen von 2019 bis 2021 für Höcker. Maassen war bis 2018 Vorsitzender des BfV, wird aber inzwischen von seiner früheren Behörde als rechtsextrem geführt. Zuletzt ging die Kanzlei juristisch gegen die Rechercheplattform «Correctiv» vor. Diese hatte Ende November von einem rechtsextremen «Geheimtreffen» in Potsdam berichtet, wo reiche Unternehmer und mehrere AfD- sowie CDU-Politiker:innen die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland diskutierten.
Teure Berichterstattung
Für die «taz» handelt es sich beim beschriebenen Vorgehen gegen die Zeitung und kritische Journalist:innen um einen «typischen Slapp-Fall», also eine strategische Klage, um «mittels juristischer Einschüchterung, das Aufrufen enormer Schadensersatzsummen und möglicher jahrelanger Prozesse den Preis für jede weitere Berichterstattung in unkalkulierbare Höhen zu treiben». Gerade für freischaffende Journalist:innen, die keinen finanzkräftigen Verlag im Rücken haben, sind solche Klagen rasch existenzbedrohend. WOZ-Autor Emran Feroz war wegen der Gerichtskosten gezwungen, einen Spendenaufruf auf der Plattform «gofundme» zu lancieren. Auf keinen Fall will er aber von der kritischen Berichterstattung ablassen.
*Anmerkung vom 1. Juli 2024: Nach der Publikation dieses Artikels meldete sich die Hamburger Kommunikationsagentur P.E.R. Agency per Mail mit der Bitte, «Korrekturen und Ergänzungen aus unserer Sicht» anzubringen. Wir tun das in jenen Punkten, die nachvollziehbar sind.
Eine Korrektur betrifft den Aufenthaltsort von Haji Ajmal Rahmani. Dieser lebt gemäss P.E.R. Agency nicht in Deutschland. Wir haben die entsprechende Passage deshalb aus dem Text gestrichen.
Weiter besteht die Agentur darauf, dass das Bauprojekt «Quantum Gardens» im baden-württembergischen Ehningen nicht «mittlerweile gestoppt», sondern «auf Eis gelegt» sei. So stehe das auch auf der Website der Gemeinde.
Zu den Ergänzungen, die für sich selbst sprechen:
- «Herr Rahmani bestreitet alle Anschuldigungen des US-Finanzministeriums.»
- «Trotz der vorübergehenden Herausforderungen bleibt die Ozean Group GmbH entschlossen, dieses wichtige Immobilienprojekt (Anm. d. Red.: Gemeint ist «Quantum Gardens»), das Wohnen und Arbeiten auf eine städtische und ökologisch nachhaltige Weise kombiniert, erfolgreich abzuschliessen.»
- Die Aussage «Kein US-Unternehmen darf Geschäfte mit den Rahmanis machen» ist gemäss P.E.R. Agency ungenau. Denn: «US-Unternehmen, die Geschäfte mit Herrn Rahmani und seinen Unternehmen tätigen möchten, können eine Lizenz beim US-Finanzministerium beantragen.» Ausserdem ist es der PR-Agentur wichtig zu betonen: «Geschäfte mit Nicht-US-Firmen sind weiterhin möglich.»