Unwetter: Schlechte Nachrichten, einfache Botschaften
Die verheerenden Gewitter der letzten Wochen haben die Klimakatastrophe zurück ins Bewusstsein katapultiert. Sinnvolle Massnahmen gäbe es genug – der politische Wille, sie umzusetzen, fehlt.
Sturzbäche und Gerölllawinen, zerstörte Häuser, Strassen und Brücken, mehrere Tote und Vermisste: In den vergangenen zwei Wochen haben Gewitter immense Schäden in Bündner, Walliser und Tessiner Bergtälern angerichtet. Die Klimakatastrophe hat sich mit derart tödlicher Wucht als Schweizer Realität manifestiert, dass der bürgerlich dominierte Politbetrieb sie nicht weiter kleinreden oder ignorieren kann – so wie er es in den letzten Monaten getan hat.
Beispiele für diese Ignoranz gibt es viele. Im März verabschiedete das Parlament ein völlig ambitionsloses CO₂-Gesetz, das noch immer ein Drittel der CO₂-Emissionen im Ausland kompensieren will. Ein Schweizer Irr- und Sonderweg: Den Mitgliedstaaten der EU ist es nicht erlaubt, ihre Reduktionspflicht ins Ausland auszulagern. Und nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte im Frühjahr geurteilt hatte, dass die Schweiz nicht genug tue, um ältere Frauen vor den Folgen der Klimaerhitzung zu schützen, forderte das Parlament den Bundesrat auf, das Verdikt zu missachten. So weit, so ignorant.
Die politische Verantwortungslosigkeit steht im grellen Gegensatz zur Arbeit zahlreicher Wissenschaftlerinnen und Beamter in der Verwaltung. Sie sind sich der gefährlichen Auswirkungen der Klimakrise durchaus bewusst. In Bezug auf den Gewässerschutz etwa erschien vor drei Jahren im Auftrag des Bundesamts für Umwelt eine aufschlussreiche Studie: Demnach seien Renaturierungen ein wichtiges Instrument im Bereich der Klimaanpassungen, also baulicher und technologischer Lösungen, weil dadurch «Gewässerorganismen besser mit den klimatischen Stressoren umgehen können». Die gesetzlich geplante Revitalisierung von 4000 Kilometern Gewässer müsse bis 2040 umgesetzt werden und damit doppelt so rasch wie gesetzlich vorgesehen.
Eine klare und einfache Botschaft, die bisher allerdings ungehört blieb. Wie die «NZZ am Sonntag» am Wochenende berichtete, hat im Wallis ein SVP-Regierungsrat erst kürzlich ein grosses Hochwasserprojekt im Rhonetal sistiert, weil zu viel landwirtschaftlich genutztes Land dafür verloren ginge. Nun hat der Starkregen die Rhone just an jenen Stellen über die Ufer treten lassen, wo der Fluss kanalisiert ist.
Angesichts der aktuellen Zerstörung in den Bergtälern stehen vor allem Extremwetter in Form von heftigen Gewittern und Starkregen im Fokus; die Klimakatastrophe manifestiert sich in der Schweiz allerdings zunehmend auch durch Trockenphasen, Wasserknappheit und Hitzewellen. Diese Folgen der Erwärmung sind – insbesondere für ältere Menschen – vor allem in den Siedlungsgebieten spürbar, wo die Versiegelung der Böden weit fortgeschritten ist: zugebaut mit Materialien wie Asphalt, Beton, Glas und Stahl also, die Wärme speichern oder in die direkte Umgebung abstrahlen.
Eine wirksame Massnahme dagegen wäre etwa die «Entsiegelung»: die Begrünung oder die Beschattung von Böden und Fassaden, wodurch zudem auch Lebensräume für Tiere und Pflanzen entstehen. Das ist längt bekannt – und doch werden auch in einer rot-grün regierten Stadt wie Zürich noch immer neue Betonwüsten wie die Europaallee gebaut. Letztlich ist die Versiegelung auch bei Starkregen ein Problem: Es kann zu einem «Oberflächenabfluss» kommen, bei dem der Regen nicht versickert und dadurch gerade bei Gebäuden Schaden anrichten kann.
Im Bereich der Klimaanpassung ist viel Expertise vorhanden, sinnvolle und oft bereits erprobte Massnahmen sind bekannt. Das ist die gute Nachricht. Was bisher weitgehend fehlt, ist der politische Wille, diese auch umzusetzen. Schlimmer noch: Im November kommt eine Vorlage zur Abstimmung, die Bundesrat Albert Rösti (SVP), der oberste Umweltpolitiker des Landes, vehement befürwortet: der Autobahnausbau auf sechs Spuren. Statt zubetonierte Böden grossflächig zu entsiegeln, sollen Milliarden an Steuergeldern in den Bau von Strassen fliessen.