Film: Liebesdienste im Labor
Kein halbes Jahr ist seit dem grandios hirnrissigen «Poor Things» vergangen, jetzt hat Yorgos Lanthimos schon wieder einen neuen Film im Kino. «Kinds of Kindness» ist teils mit derselben Crew entstanden, aber nach dem opulenten Pseudoviktorianismus von «Poor Things» mit sichtlich geringerem Aufwand. Und nach jenem Erweckungsparcours eines schönen Monsters auf dem Weg zum autonomen Subjekt zielt Lanthimos diesmal ins Gegenteil. Was die drei abgeschlossenen Geschichten in «Kinds of Kindness» thematisch eint: Es sind lauter Studien über die Hörigkeit oder eben über Liebesdienste, wie man «kindness» in diesem Fall übersetzen müsste.
Emma Stone und Willem Dafoe sind auch wieder mit dabei, aber die erste und beste Episode gehört erst mal ganz Jesse Plemons, der hier in ein kafkaeskes Arrangement eingebunden ist. Robert, Geschäftsmann aus dem mittleren Kader, hat sich in seiner ganzen Existenz einer väterlichen Instanz unterworfen: Das ist Raymond (Dafoe), der seinem Schützling auf handgeschriebenen Kärtchen sein tägliches Programm durchgibt. Vom Sex vor dem Frühstück bis zur abendlichen Bettlektüre hält sich Robert an diese Direktiven – bis er sich ein einziges Mal widersetzt. Als ihn der Patron zur Strafe in die Freiheit entlässt, will Robert unbedingt zurück in sein durchreglementiertes Dasein.
In der zweiten Folge gehen die Liebesdienste dann ans Eingemachte. Da spielt Plemons einen Cop, der misstrauisch wird, als seine nach einem Unfall verschollene Frau (Stone) zu ihm zurückkehrt: Ist sie es wirklich? Also stellt er sie auf die Probe, mit paradoxem Effekt – denn jeder extreme Liebesbeweis, den die Frau für ihn erbringt, bestätigt letztlich nur seine Paranoia. Wenn sie so hörig ist, kann sie es nicht wirklich sein, oder? Lanthimos spielt diese Versuche wie ein Forscher in einem Labor durch, das nach von ihm entwickelten Regeln funktioniert. Und auch wenn sich das mit der Zeit etwas totläuft: Als Studienleiter für abseitiges Verhalten ist er hier wieder ganz bei sich.