Ausstellung: Mehr als das, was man kennt

Nr. 29 –

Foto der Ausstellung «litafrika – Abidjan & Accra»
«litafrika – Abidjan & Accra». Zürich Museum Strauhof. Di/Mi/Fr 12–18 Uhr, Do 12–22 Uhr, Sa/So 11–17 Uhr. Bis zum 8. September 2024.

Vögel zwitschern, Beats erklingen, und von der Decke hängt ein mit Bäumen bedrucktes Tuch. Beim Eintritt ins Museum Strauhof überwiegt zuerst einmal die Überraschung: «Abidjan & Accra. Zwei Städte und ihre Literaturszenen», so der Titel der Ausstellung. Dass diese einen als Erstes in die Umgebung eines Waldes versetzen würde, war nicht zu erwarten. Doch dann liest man auf den Texttafeln an der Wand: «Der Nationalpark Forêt du Banco liegt mitten im Stadtgebiet, direkt angrenzend an Yopougon.» Yopougon ist das bevölkerungsreichste Viertel von Abidjan, der Hauptstadt von Côte d’Ivoire. Hier entstanden in den Neunzigern mit Coupé Décalé und Zouglou zwei populäre Tanz- und Musikstile. Die Videoprojektion einer Coupé-Décalé-Performance flimmert über eine andere Wand im Strauhof.

Grossstadt und Wald, Musik, Tanz und Sprache – das alles mischt sich gleich in den ersten Sekunden nach Eintritt in die Schau. Diese besteht nur aus zwei Räumen, doch stellt man erfreut fest, wie viel Informationen und Anregungen in Form von Filmen, Plakaten, Bildern und Büchern hier geboten werden. Es ist die dritte «litafrika»-Ausstellung des Museums Strauhof und der Stiftung Litar. Umgesetzt wurde sie von einem internationalen Kurator:innenkollektiv aus der Schweiz, aus Abidjan und Accra.

Der erste Raum ist Abidjan gewidmet, der zweite Accra. Während Côte d’Ivoire 1960 von Frankreich unabhängig wurde, erreichte Ghana bereits 1957 als erstes Subsaharaland die Unabhängigkeit. Wie stark die Kolonialisierung die Literatur noch bis heute prägt, dringt in den unterschiedlichen Filminstallationen immer wieder durch: So erzählt die ivorische Autorin und Philosophieprofessorin Tanella Boni, dass sie alle Handbücher der französischen Autor:innen besass, die afrikanischen Autoren habe sie jedoch nicht gekannt – und erst recht nicht die Autorinnen: «Es gibt sie, aber ich hatte keinen Zugang zu ihren Texten.» Im Film zur feministischen Bibliothek «1949books» in Abidjan, einem der Ausgangspunkte für die Ausstellung, gibt die Direktorin und Übersetzerin Edwige-Renée Dro einen Einblick in die Arbeit und das Engagement der 2020 in Yopougon eröffneten Bibliothek.

«Wissensproduktion, Wissensbewahrung und Wissensverbreitung» – so definiert Sylvia Arthur, Gründerin der Library of Africa and the African Diaspora (Loatad), in einem weiteren Film die zentralen Funktionen der Bibliothek. Die Loatad in Accra, die der zweite Ausgangspunkt für die Ausstellung war, stärkt das Netzwerk von Schwarzen Autor:innen, fördert die lokale Verleger:innenszene und bietet Schreibresidenzen an. «Wir wollen zeigen, dass afrikanische Literaturgeschichte weit über das hinausgeht, was man kennt», sagt Arthur über ihre Bibliothek. Genau das zu vermitteln, gelingt auch dieser Ausstellung.