Wasserknappheit: Stille Verwüstung
Im Süden von Sizilien herrscht eine der schlimmsten Dürren aller Zeiten. Eine Folge der Klimakatastrophe, sagen die einen, Misswirtschaft, die anderen. Die Wahrheit liegt dazwischen, und die Bewohner:innen fragen sich, wie es weitergehen soll.
Auf der Hochebene im Zentrum von Sizilien steht der Bauer Luca Cammarata in der Käserei seines kleinen Hofs und beisst von einem Croissant ab. Cammarata, ein schlanker Mann in grünem Polohemd und Funktionshose, nimmt ein paar Bisse, dann deckt er die andere Hälfte rasch mit einem Küchenpapier zu. Es ist halb acht morgens. Der Bauer hat keine Zeit zu verlieren. Vor der Tür seiner kleinen Käserei wird es immer heisser. Er öffnet die Tür unter der dröhnenden Klimaanlage hin zu einer gelben Steppe aus Sand und Geröll. Hätte man ihm vor zwanzig Jahren erzählt, was in diesem Sommer auf ihn zukommt, er hätte es nicht für möglich gehalten, sagt er.
Im Stall nebenan drängen sich Dutzende Ziegen. Ihre Hörner stehen steil gedreht vom Kopf ab. Ein paar von ihnen heben ihre Vorderbeine in die Luft, als der 53-Jährige in einem Gatter nebenan die Melkmaschine an das Euter einer Ziege anschliesst. Seit zwanzig Jahren führt Cammarata den kleinen Biobetrieb auf der Hochebene in der Gemeinde Caltanissetta. Diesen Sommer geben die Ziegen nur noch die Hälfte der Milch, die sie gewöhnlich produzieren. Auch, weil sie nicht genug trinken. Um den Käse geht es dem Bauern, der die Ziegen ansieht, als wären sie Kinder, für die er die Verantwortung trägt, schon lange nicht mehr. «Es geht nur mehr darum, dass sie den Sommer überstehen», sagt er und öffnet das Gatter, um die Herde hinaus in die Hochebene zu treiben. Früher seien sie den ganzen Tag auf der Weide geblieben, sagt Cammarata, während sich die Ziegen in der Ferne wie grosse weisse Murmeln im Sand verteilen. «Heute kommen sie spätestens um 11 Uhr zurück.» Der künstliche Teich, aus dem die Ziegen während der Weidezeit tranken, ist seit Monaten ausgetrocknet. «Eine von ihnen starb im Juni, als sie vom aufgeweichten Schlamm trank», sagt Cammarata.
Kein fliessendes Wasser
Während im Norden von Italien nach heftigen Regenfällen die Flüsse über die Ufer traten, herrscht im süditalienischen Sizilien eine der schlimmsten Dürren der Geschichte. Der Italienische Forschungsrat warnte schon vor vier Jahren, dass über siebzig Prozent der Insel von Versteppung bedroht sei. Ganze Dörfer werden mit mobilen Wassertanks versorgt, Haushalte haben nur wenige Stunden am Tag fliessendes Wasser oder sind ganz von der Wasserversorgung abgeschnitten. Zehntausende Nutztiere könnten in den nächsten Wochen aufgrund des Wassermangels sterben, und immer mehr Bäuer:innen wie Cammarata stehen vor der Entscheidung, ihre Tiere zu schlachten, bevor sie verdursten.
Falls sich nicht bald etwas tut, könnte die Insel bis 2030 zu einem Drittel zur Wüste werden, sagen internationale Klimaexpert:innen. Denn die Dürre legt auch eine jahrzehntelange Misswirtschaft der lokalen Infrastruktur offen, darunter kaputte Wasserleitungen unter den Strassen, verstopfte Rohre und ausgetrocknete Staudämme, deren Zuflüsse nicht freigelegt wurden. Laut dem Nationalen Statistikinstitut (Istat) sollen schon 2020 über 52 Prozent des Grundwassers auf der Insel durch die schlechte Infrastruktur verloren gegangen sein. Und während sich in diesem Sommer Millionen von Tourist:innen über die antiken Strassen und pittoresken Strände der Insel schieben, gehen gleichzeitig die Bilder von toten Ziegen, aufgerissenen Böden und ausgetrockneten Seen um die Welt.
«Wir sind auf den Knien»
Als sich das Glockengebimmel immer weiter in der Hochebene verliert, setzt sich der Bauer für einen Moment auf das Geröll vor seinem Hof. Auf die Frage, warum er vor zwanzig Jahren begonnen habe, die seltene Girgentana-Ziege zu züchten, sagt er nur: «Weil es der schönste Beruf der Welt ist.» Umso mehr schmerzt es ihn, dass er eine Woche zuvor 59 von rund 200 Ziegen schlachten musste.
Um die Wasserknappheit auszugleichen, legten die Bäuer:innen der Region schon seit Jahren künstliche Teiche für ihre Tiere an, in denen sich auch das Regenwasser sammeln konnte. Doch schon seit Juni liegen sie trocken. Ihr Grund ist aufgeplatzt. Seit Monaten macht Cammarata gemeinsam mit anderen Bauern auf die Situation aufmerksam. Seit Anfang Jahr blockierten immer wieder Bauern mit ihren Traktoren die Strassen, um eine Kompensation für das schlechte Management der vergangenen Sommerdürre zu fordern. «Wir sind auf den Knien, die Dürre hat unsere Ernte halbiert», sagte ein Bauer zu Beginn des Jahres einem italienischen Nachrichtensender. Dass es in diesem Jahr noch schlimmer wird, kündigte sich schon mit dem ausgerufenen Notstand im März an, im Zuge dessen schon im Frühjahr das Wasser für 800 000 Menschen rationiert wurde.
«Die Regierung muss während der Dürre günstiges Wasser für alle Bewohner der Insel bereitstellen», sagt Cammarata, «sonst können wir hier bald dichtmachen.»
Normalerweise kommt das Trinkwasser in Sizilien aus Unterwasserleitungen, in denen es aus den unterschiedlichen Gesteinsschichten zusammenfliesst. Für die Landwirtschaft wurden nach dem Zweiten Weltkrieg grosse Tanks und künstliche Teiche angelegt, aus denen die Felder bewässert werden und die Tiere trinken können. Beide Systeme speisen sich jedoch auch aus dem Regen, der auf der Insel immer weniger wird. In der zweiten Hälfte von 2023 fielen gerade einmal 150 Millimeter Regen. Seit Beginn der Aufzeichnungen 1880 hat es laut einer Studie der Universität in Catania keinen heisseren Sommer gegeben.
Gleichzeitig wurde die notwendige Instandhaltung des Bewässerungsnetzes in den letzten Jahren vernachlässigt und die Wasserversorgung an vielen Orten in die Hände privater Wassertankunternehmen gegeben. Aufgrund von Misswirtschaft und langsamen Sanierungsprozessen wechselten die verantwortlichen Wasservertriebe immer wieder ihre Betreiber. Die Bevölkerung griff deshalb in den letzten Jahren immer mehr auf private Wasserzisternen auf Dächern von Wohnhäusern oder Kellern zurück und auf kleine Firmen, die das Wasser mit eigenen Lastern auslieferten. Doch mittlerweile reicht auch das nicht mehr. Und während die Tourismusbranche, das Krankenhaus und auch das Gefängnis auf der Insel Wasser zugeteilt bekommen, wird der Protest immer stärker, vor allem bei jenen, die es sich bis heute nicht leisten können, private Wasservorräte anzulegen.
Dabei sind auf Sizilien nicht alle Regionen gleichermassen von der Dürre betroffen. In den grösseren Städten wie Catania und Palermo spürt man die Auswirkungen nicht so wie im Inneren des Landes. Doch auch dort sind die Bedingungen sehr unterschiedlich: Während in der berühmten Tempelanlage von Agrigent Besucher:innen ihre aufgeheizten Gesichter unter Trinkbrunnen waschen können, stehen einige Bewohner:innen von Agrigent über zwei Stunden in der Autoschlange vor dem einzigen noch laufenden Brunnen der Region, um Wasser für ihre Familien zu holen. In anderen Regionen ist der Unterschied zwischen dem grünen Rasen von Luxushotelressorts mit Golfplatzbewässerungsanlage und den restlichen gelben Feldern frappant. Klar wird: Wer Geld für die Lastwagenladungen an Wasser hat, bekommt auch genug. Trotzdem kann es noch zu langen Wartezeiten kommen.
Ein paar Regentropfen
Auf der Piazza Roma von Canicattì, einer Stadt mit 35 000 Einwohner:innen etwa eine halbe Autostunde von Luca Cammaratas Hof entfernt, steht Margherita Mantione und streicht sich die verschwitzten blonden Strähnen aus dem Gesicht. «Die ganzen Leitungen sind dahin», sagt sie, «das Wasser kommt in Fontänen aus dem Boden, und in unseren Leitungen fehlt jeder Tropfen.» Sie zündet sich eine Zigarette an und wartet auf den Rest der Gruppe, die sich vor wenigen Wochen zum ersten Mal getroffen hat, um gemeinsam für die Gemeinde aufzustehen. «Seit Wochen leben wir ohne fliessendes Wasser», sagt sie. Über dreissig Jahre lebte die 57-Jährige im Allgäu. Sie betrieb eine kleine Pizzeria, bis sie sich verliebte und wieder zurück auf die Insel kam, auf der sie geboren wurde. «Wenn das so weitergeht, ziehe ich zurück nach Deutschland.»
«Werft euch dem Wettergott zu Füssen», ruft Enzo Schasta, der gerade mit einem Fahrrad angebraust kommt, «es regnet!» Als ein Tropfen den Boden berührt, wirft auch Mantione den Kopf in den Nacken und blinzelt zu den grauen Wolken empor. Tatsächlich fallen an diesem Nachmittag Mitte August seit Monaten die ersten Tropfen in Canicattì. Doch zusammen mit Margherita Mantione ist sich auch Enzo Schasta, der Stadtfriseur, sicher: Selbst wenn es bis Weihnachten durchregnen sollte, das Problem wäre nicht gelöst.
«Enzo kenne ich schon seit vierzig Jahren», sagt Mantione. «Heute wäscht er seinen Kundinnen mit Trinkwasser aus der PET-Flasche die Haare, weil viele der Qualität des angekauften Wassers nicht trauen.» Sie zeigt ein Bild auf ihrem Handy, das Schasta bei der Arbeit zeigt, als die Tanzlehrerin Paola Lo Giusico und der pensionierte Lehrer Pietro Narbone, den hier alle nur den «Professore» nennen, zur Gruppe stossen.
Anfang August liefen sie alle auf der grossen Demo in der Nachbarschaft Agrigent unter dem Motto «Wir wollen Wasser!». Ende des Monats wollen sie wieder demonstrieren. «Wir sind im Jahr 2024 in Europa und haben kein Wasser mehr zum Zähneputzen, weil das Wasser im Boden versickert», sagt Mantione wütend. Kurz darauf macht sich die Gruppe auf den Weg durch die kleinen Gassen.
In einer Seitengasse läuft die Gruppe an einer jungen Frau im gestreiften Hauskleid vorbei, die sich als Simona vorstellt. Sie zieht einen dicken Feuerwehrschlauch über die Backsteine hinunter zu ihrem Haus, vor dem mehrere Wannen stehen. Ihre beiden Kinder schauen aus dem kleinen Fenster über der Eingangstür. Als das Wasser voller Wucht aus dem Schlauch kommt, fällt die grosse Wanne fast um. «Die Frau ist allein mit ihren Kindern», sagt Mantione. Die Wasserknappheit trifft vor allem die Arbeiter:innen, jene, die im Lauf ihres Lebens nicht mit dem Bau einer Zisterne oder anderen Wasserspeichermöglichkeit vorsorgen konnten oder die kein Geld haben, um Wasser von aussen anzukaufen.
So wie Calogero Lentini, der ein paar Häuser weiter unten wohnt. Der pensionierte Möbelpacker steht in seiner dunklen Wohnung. Er dreht das Licht an, das sein fensterloses Untergeschoss und ein paar bunte Wassereimer grell erleuchtet. Seit 21 Tagen kam nichts mehr aus der Leitung, obwohl er noch immer monatlich die Wasserrechnungen zahlt. «56 Euro im Monat», sagt er aufgebracht. Er schlägt seine breiten Hände über dem kahlen Kopf zusammen. Seitdem wasche er sich nur mehr mit einem Schwamm und mit Wasser aus Plastikflaschen, sagt er. Selbst wenn er den Tanklaster zahlen könnte, hätte er Angst, dass durch den Druck seine kleine Wohnung überschwemmt würde.
Melonis Schweigen
Die Stimmung in der Gruppe, die mittlerweile im Haus einer Nachbarin Platz genommen hat, ist aufgeheizt. Die Nachbarin hat ihre letzten Wasserrechnungen aus einer blauen Mappe gezogen und sie den anderen gezeigt. Seit zwei Monaten habe sie kein Wasser aus der Leitung mehr, doch die Rechnungen würde sie wie Lentini trotzdem zahlen.
«Du kannst doch keine Rechnungen zahlen, wenn das Wasser gelb oder schwarz oder gar nicht mehr aus der Leitung kommt», sagt Paola Lo Giusico. «Wenn sie aber nicht zahlt, kommen die Mahnungen», reagiert der Professore aufgebracht. «Warum aber etwas zahlen, was es nicht gibt», ruft Lo Giusico wieder über den Tisch. «Wir müssen vor die Präfektur zum Demonstrieren», erwidert er. «Es muss sich etwas tun!»
Der Abgeordnete Peppe Provenzano der Demokratischen Partei kommt aus der gleichen Gegend wie der Bauer Luca Cammarata, aus Caltanissetta. Im Juni kritisierte er in einem Facebook-Post das Schweigen der Meloni-Regierung: «Die Gefahr einer schweren Wasserkrise war der Regionalregierung seit Monaten bekannt. Im Februar richtete ich meine erste Anfrage an die nationale Regierung, um zu intervenieren. Seitdem haben wir Tagesordnungen, Änderungsanträge und andere Anfragen eingereicht. Und von der Regierung: Schweigen. Die einzige Antwort vor einigen Wochen war die Bereitstellung von nur zwanzig Millionen Euro für den Ausnahmezustand.»
Als die Regierung in Rom im Mai den Notstand in Sizilien ausrief, bat Regionalpräsident Renato Schifani um 130 Millionen Euro Soforthilfe. Doch nur ein Bruchteil davon, 20 Millionen, kamen aus Rom an. «Dies ist ein beispielloser Dürrenotstand», warnte Schifani nochmals Anfang August. Er kündigte weitere Massnahmen an wie die Bereitstellung von Heu für die Bauernhöfe und weitere Wasserreserven für den Herbst.
Da das Problem jedoch nicht erst seit diesem Sommer besteht, wurden im Zuge des Europäischen Aufbauplans nach der Pandemie italienweit 3,9 Milliarden Euro für die Reparatur von Rohren bereitgestellt. Etwa sechzig Prozent der Mittel sollen den südlichen Regionen zugutekommen, da sie mit den grössten Herausforderungen konfrontiert sind. Etwa 900 Millionen Euro sind speziell für die Verringerung der Verluste im Wasserverteilungsnetz vorgesehen, wobei Sizilien mit knapp 240 Millionen die zweitgrösste Empfängerregion ist. Einige Sanierungsprojekte wurden jedoch nicht zugelassen, weil die Bedingungen nicht erfüllt waren.
Am Hafen von Porto Empedocle, dem Ausgangspunkt für den grossen Schiffsverkehr im Südwesten der Insel, steht Rauch am Himmel. Auf der Hochebene ist ein Wildfeuer ausgebrochen. Löschhubschrauber steigen in die Luft. Nach Schätzungen der regionalen Katastrophenschutzbehörde verursachten die Brände im vergangenen Jahr Schäden in Höhe von mehr als sechzig Millionen Euro, wobei mehrere Hundert Hektaren Waldfläche auf der Insel zerstört wurden. In der Nähe des Hafens steht die stillgelegte Entsalzungsanlage von Porto Empedocle. Die weissen Rohre haben Rost angesetzt und sind mit dichtem Gestrüpp zugewuchert. Zwischen 2007 und 2012 saugte die Anlage das Salzwasser von der nahen Küste, filterte es und speiste es dann als Süsswasser zurück ins Wassernetz. Pro Sekunde konnten so hundert Liter Trinkwasser eingespeist werden. Allerdings blieb die Anlage aufgrund der hohen Kosten nur fünf Jahre in Betrieb. Seit über zwölf Jahren steht sie nun, genauso wie die anderen beiden Anlagen auf der Insel, still.
Für Christian Mulder, Professor für Ökologie von der Universität in Catania, eine katastrophale Entscheidung. Er sagt, es müssten noch mehr Entsalzungsanlagen gebaut werden, «wie auf Malta oder auch in Israel. Wenn nichts passiert, wird ein Grossteil Siziliens bis 2030 zur Wüste werden, wie in Tunesien oder Libyen.» Im Juni kündigte die sizilianische Regierung nun an, die verfallende Salzanlage von Porto Empedocle mitsamt der veralteten Technologie wiederaufbauen zu wollen, doch laut Lokalzeitungen soll allein die Planung um die fünf Monate dauern, was in der akuten Dürre nicht helfen wird.
«Der Bau der Meerwasserentsalzungsanlage muss beschleunigt und so schnell wie möglich abgeschlossen werden, um einen koordinierten und ganzheitlichen Ansatz zur Bewältigung der Krise zu gewährleisten», sagt denn auch Francesco Miccichè, der Bürgermeister von Agrigent, zu dessen Gemeindekonsortium Porto Empedocle gehört. Sie würden mit Wassertankwagen arbeiten, um die Situation in den von der reduzierten Wasserversorgung besonders betroffenen Vierteln zu entschärfen. Er fordert zudem die Regierung in Rom auf, gemeinsam mit der Lokalregierung über Massnahmen gegen den Wassernotstand nachzudenken.
Pfütze mit roter Schaumkrone
Ein Ort, an dem die Krise besonders sichtbar wird, ist der Pergusa-See, der einzige natürliche See im Herzen von Sizilien. Er ist schon zu riechen, bevor man ihn zu sehen bekommt. Bakterien und Algen sorgen für Verfaulung, nachdem er vor einem Monat fast komplett ausgetrocknet ist. Um den See herum führt eine alte Autorennbahn, an der zu sehen ist, wie weit der See einmal reichte. Niemand ist auf dem Gelände zu sehen, ausser der achtzigjährige Mario Termini. Mit übereinandergeschlagenen Beinen sitzt er telefonierend auf dem alten Steg. Vor ihm erstreckt sich meterweit der verdorrte Boden. Schon seit einigen Jahren legen keine Boote mehr von diesem Steg ab. Heute ist vom See nur noch eine kleine Pfütze mit roter Schaumkrone übrig. «Einer der wärmsten Orte Europas hat seinen einzigen See verloren», titelte der britische «Independent».
Wie ein Stammgast eines mittlerweile zerfallenen Seetheaters sitzt Termini da und erzählt von früher, als er als Kind die Seebühne noch durchschwimmen konnte. Als Jugendlicher ruderte er mit Freunden über den See, um die Vögel und den Himmel vom Wasser aus zu beobachten. Später dann kam der Bildhauer immer wieder an den See, an dessen Ufer seine Kinder ihre Häuser gebaut hatten.
Im Juni ist der Vorhang endgültig gefallen, da meldete die italienische Umweltorganisation Legambiente offiziell das Verschwinden des Pergusa-Sees, da der Boden fast vollständig ausgedorrt war. «Da konnte ich fast einmal komplett durch das gesamte Seebecken laufen», sagt Termini.
Der Pergusa-See ist bis heute das einzige natürliche Wasserreservoir der Insel. Ursprünglich war er eine Oase, die auch von zahlreichen Vogelarten angeflogen wurde, die jedes Jahr von Afrika nach Europa ziehen. Ob sie im nächsten Jahr hier noch landen werden, bleibt fraglich. Schon jetzt ist es für Fische kaum mehr möglich, in der verschrumpelten Pfütze zu überleben.
Kurz nach seiner Verabschiedung dreht sich Termini noch einmal um und sagt: «Alle sagen, der See sei tot, doch für mich kann er nicht sterben.»
Laut dem Uno-Klimabericht von 2023 waren in den vergangenen beiden Jahren knapp zwei Milliarden Menschen weltweit von Dürre betroffen. Im Vorwort zum Bericht sagte der Exekutivsekretär des Uno-Übereinkommens zur Bekämpfung der Wüstenbildung, Ibrahim Thiaw: «Dürren verlaufen im Stillen, bleiben oft unbemerkt und lösen keine unmittelbare öffentliche und politische Reaktion aus. Diese stille Verwüstung setzt einen Kreislauf der Vernachlässigung fort und lässt die betroffenen Bevölkerungsgruppen die Last isoliert tragen.»