Film: Im Taxi auf geheimer Mission?

Nr. 36 –

Filmstill aus «Reinas»: 3 Personen beim Essen
«Reinas». Regie: Klaudia Reynicke. Schweiz/Peru 2024. Jetzt im Kino.

Wieso hat er im Handschuhfach ein Taxischild versteckt? Dass er seine abgehalfterte Kiste als Taxi benutze, sei nur zur Tarnung, erklärt Carlos (Gonzalo Molina) dem neugierigen Mädchen. Er sei nämlich Geheimagent, und als Taxifahrer könne er unerkannt alles beobachten. Die kleine Lucía (Abril Gjurinovic) macht grosse Augen und kauft ihm das anscheinend ab – vielleicht auch wider besseres Wissen.

Schliesslich ist dieser Carlos ihr Vater, auch wenn er für Lucía und ihre grosse Schwester (Luana Vega) praktisch ein Fremder ist. Der notorische Filou spielt im Leben der beiden keine Rolle, doch jetzt braucht die Mutter (Jimena Lindo) sein Einverständnis, weil sie mit den beiden Töchtern auswandern will: in die USA, wo sie einen Job auf sicher hat, weg aus dem von Inflation, Terror und Repression gebeutelten Peru des Jahres 1992. Vom Vater ihrer Kinder braucht sie nur eine Unterschrift, doch dieser merkt, dass er angesichts des nahenden Abschieds plötzlich auch etwas will: Zeit mit den Töchtern, die er kaum kennt.

Die peruanisch-schweizerische Regisseurin Klaudia Reynicke überrascht hier mit einem markanten Stimmungswechsel. Nach «Love Me Tender» (2019), ihrem hochgradig verschrobenen Psychogramm einer Kindfrau in sozialer Isolation, bewegen sich ihre autobiografisch gefärbten «Reinas» nun im bewährten Rahmen des wohltemperierten Arthousekinos: Coming-of-Age vor dem Hintergrund politischer Wirren. Wobei der Vater, dieser traurige Tropf, unterm Strich vielleicht etwas zu gut wegkommt.

Dass das trotzdem nie ins bloss Gefällige kippt, verdankt der Film (Weltpremiere in Sundance, ausgezeichnet in Berlin und Locarno) seinem durch alle Generationen tollen Ensemble und seinem feinen Gespür für die Zeit der Ungewissheit. Diese wird privat auch in der erweiterten Verwandtschaft spürbar, später ganz handgreiflich politisch. Vor allem aber zeigt sie sich in den Gesichtern der beiden Mädchen, die entweder nicht wegwollen oder noch nicht recht ermessen können, was der Abschied für sie bedeutet.