Film: Das Erbe der Väter

Nr. 38 –

Filmstill aus «Hijo de sicario»
«Hijo de sicario». Regie und Drehbuch: Astrid Rondero und Fernanda Valadez. Mexiko/USA/Frankreich 2024. Jetzt im Kino.

Es ist ein Teufelskreis: Frauen tun alles dafür, ihre Söhne und Neffen vor jener Gewalt zu schützen, die schon die Väter verschlungen hat – und müssen dann mitansehen, wie sich die jungen Männer ihrerseits der Gewalt zuwenden. Besonders klar vorgezeichnet scheint der Weg von Sujo (Juan Jesús Varela). Sein Vater Josué, ein Killer im Dienst des örtlichen Kartells, lässt seinen Sohn auch mal im Auto warten, während er einen Auftrag ausführt. Mit vier Jahren entgeht der Bub nur knapp dem Tod, nachdem Josué als Verräter gebrandmarkt und aus dem Weg geräumt worden ist. Sujos Tante kann den Mörder mit dem Versprechen stoppen, den Jungen bei sich in den Bergen aufzuziehen, um zu verhindern, dass dieser einst in die Fussstapfen des Vaters tritt.

Astrid Rondero und Fernanda Valadez, die Regisseurinnen von «Hijo de sicario», haben ihren Film in vier Kapitel unterteilt, die die Namen der Personen, unter deren Einfluss sich Sujo jeweils gerade befindet, tragen: Vater, Tante, seine zwei gleichaltrigen Cousins und schliesslich eine Literaturprofessorin in Mexiko-Stadt. Kaum überraschend, dass sich Sujo immer dann, wenn seine Hauptbezugsperson weiblich ist, zum Positiven hin entwickelt. Doch Kriminalität und Gewalt ganz hinter sich zu lassen – das, so zeigt der Film trotz verhaltenem Optimismus, scheint fast unmöglich für einen jungen Mann im abgelegenen Süden Mexikos, im Soziotop der Tierra Caliente, wo die Macht der Drogenkartelle ungebrochen ist.

Diese traurige Einsicht vermitteln Rondero und Valadez ganz ohne drastische Szenen: Sämtliche Gewalt findet im Off statt oder wird ausgespart. Auch heben sie nicht etwa die Verlockungen des kriminellen Lebensstils hervor, denen man sich angesichts der Armut nur schwer entziehen kann. Stattdessen zeigen sie Sujo als Jungen, der trotz aller traumatischen Erfahrungen empfänglich für die Poesie der Natur, für die Literatur, für weibliche Fürsorge geblieben ist  – und den das Erbe seines Vaters aufgrund sozialpsychologischer Mechanismen trotzdem unausweichlich einzuholen droht.