Wohnungsfrage: Friede den Mieter:innen
Je stärker sich ein Argument auf Metaphern abstützt, desto schwächer ist es in der Regel: das überladene Fuder, die Spitze des Eisbergs, die Salami. Auf Letztere setzt der linke Abstimmungskampf gegen die beiden Mietrechtsvorlagen, die am 24. November zur Abstimmung kommen. Diese markierten «erst den Anfang einer Reihe von Angriffen der Immobilien-Lobby», heisst es zur Erklärung im Argumentarium des linken Nein-Komitees. Kritisiert wird eine «Salamitaktik»: Scheibe um Scheibe soll der Schutz der Mieter:innen demnach eingeschränkt werden.
Sechs parlamentarische Initiativen zur Stärkung der Position von Vermieter:innen haben deren Lobbyisten im Parlament zwischen 2015 und 2017 eingereicht. Die Rechte hat sich aus taktischen Gründen dagegen entschieden, sie zu einem grossen Paket zu bündeln. Andernfalls hätte es nur ein Referendum gebraucht, um sie alle zu versenken. Das verhindert zu haben, sei undemokratisch, sagen die linken Gegner:innen, und sogar «unschweizerisch».
Man spürt den Frust, der aus dieser Zuspitzung spricht; es muss ja auch tatsächlich frustrierend sein, in einem bürgerlichen Parlament die Minderheitenposition zu vertreten. Nun ist es aber auch ermüdend, sich immer wieder darüber empören zu müssen, dass die Ratsrechte so erfolgreich Machtpolitik macht, was ja kaum unschweizerisch ist.
Das Problem, vor das diese beiden Vorlagen ihre Gegner:innen stellen, ist, dass die Verschärfungen, die sie vorsehen, nüchtern betrachtet eher geringfügig sind. Der Eigenbedarf ist schon heute ein griffiges und unfaires Mittel für Vermieter:innen, ihre Rendite zu steigern, indem sie sich langjähriger Mieter:innen entledigen. Die Untermiete ist schon heute reguliert. Einen Mietvertrag zu kündigen, ist für Vermieter:innen ganz generell viel zu einfach. Bei einer Annahme der Vorlagen würde es noch etwas einfacher. Von einer völlig neuartigen und weitreichenden Entrechtung kann aber keine Rede sein.
Und trotzdem wäre ein Abstimmungserfolg der Immobilienlobby bedeutender, als es den Anschein hat. Nicht weil da noch ein paar parlamentarische Initiativen kommen. Sondern weil ein sowieso schon laufender Angriff auf die linke Deutungshoheit in der Wohnungsfrage verstärkt würde. Dazu zählt auch der «Aktionsplan gegen die Wohnungsknappheit», den der blasse Bundesrat Guy Parmelin Anfang Jahr vorgestellt hat. Seine schärfsten Forderungen sind die Erschwerung von Einsprachen und Massnahmen zur Entschärfung von Bauvorschriften. Genau dafür hatten die Vertreter:innen der Immobilienlobby geworben; einmal mehr platzierten sie so ihre Behauptung, wonach das Problem der steigenden Mieten bloss eine Frage des mangelnden Wohnungsbaus – ja sogar eines angeblich zu stark regulierten Marktes sei.
Es ist dieselbe Predigt, die auch die Banken und die Immobilienfirmen in ihren regelmässig erscheinenden Analysen halten. Dieselbe Predigt auch, auf die nun die Befürworter:innen der beiden Mietrechtsvorlagen ihren Abstimmungskampf abstützen: Sie haben sich den vermeintlichen Kampf «für mehr Wohnraum» und gegen die Überregulierung auf die Fahnen geschrieben.
Überregulierung? Es stimmt zwar, dass der Wohnungsbau abnimmt. Doch das ist nicht der Grund dafür, dass die Mieten ansteigen. Vielmehr werden derzeit viel zu viele teure Wohnungen gebaut. Das Tiefzinsumfeld hat dazu geführt, dass Milliardenbeträge von Obligationen in den Wohnungsmarkt verschoben wurden, was die Bodenpreise in die Höhe trieb. Dazu werden die geltenden Bestimmungen zur Höhe der Renditen systematisch ignoriert. Die Mieten steigen, weil diejenigen, die sie verantworten, das so wollen. Alles andere ist Ablenkung.
Natürlich ist es richtig, dass die Linke gegen jeden der vielen Angriffe auf den Mieter:innenschutz das Referendum ergreift. Aber auch wenn sie damit an der Urne Erfolg haben sollte: Gewonnen ist damit noch nichts.