Uno-Klimakonferenz: Helvetische Tricks

Nr. 45 –

Bald beginnt die nächste Uno-Klimakonferenz – ausgerechnet in der Erdöldiktatur Aserbaidschan. Auch die Rolle der Schweiz wirft Fragen auf.

Es ist ein Déjà-vu der unschönen Art. Vor einem Jahr fand die 28. Uno-Klimakonferenz (COP), das wichtigste globale Treffen zur Bekämpfung des Klimadesasters, in Dubai statt – die 29. Ausgabe der COP wird am kommenden Montag in Baku eröffnet. Sowohl die Vereinigten Arabischen Emirate wie auch Aserbaidschan sind autoritär geführte Länder, deren wirtschaftliches Rückgrat der Handel mit fossilen Brennstoffen ist.

Viele klimapolitische und zivilgesellschaftliche NGOs kritisieren die Standortvergabe scharf. «Einem Land zu erlauben, eine internationale Konferenz zur Klimagerechtigkeit auszurichten, während es Klimaaktivist:innen unterdrückt und die lokale Zivilgesellschaft demontiert, untergräbt die Integrität des Gipfels selbst», schreibt etwa die deutsche NGO Urgewald. Sie unterstreicht ihre Kritik mit einer lesenswerten Dokumentation, die nachzeichnet, wie wichtig der staatliche Öl- und Gaskonzern Socar als Machtinstrument für das Regime von Diktator Ilham Alijew ist. Mit dessen Erträgen wird auch die aserbaidschanische Armee finanziert, die im September 2023 rund 100 000 Armenier:innen gewaltvoll aus der Enklave Bergkarabach vertrieb (siehe WOZ Nr. 41/23).

Frappierend sind die engen Verbindungen von Socar in die Schweiz. Über seine Genfer Tochter Socar Trading SA wickelt der Konzern sein Europageschäft ab, im vergangenen Jahr betrug das Handelsvolumen 32,6 Milliarden US-Dollar. Ausserdem betreibt Socar hierzulande rund 200 Tankstellen, mehrere Dutzend davon mit Migrolino-Shop. Eine neue Erkenntnis aus der erwähnten Urgewald-Dokumentation ist, dass die Genfer Kantonalbank 2021 193 Millionen US-Dollar in Socar investiert haben soll.

2400 Milliarden wären nötig

So berechtigt die Kritik am Austragungsort der COP29 ist, am Ende muss es um eine inhaltliche Auseinandersetzung gehen. Absehbar werden drei Themenblöcke die Verhandlungen prägen. Erstens: die Klimaschutzfinanzierung. Das Pariser Abkommen, das die Erderwärmung auf 1,5 Grad beschränken will, verpflichtet die Industrieländer bis 2025 zu einer jährlichen Zahlung von hundert Milliarden US-Dollar für Klimaschutzmassnahmen an Entwicklungsländer. Das ist gemäss der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) 2022 erstmals erreicht worden. Doch diese Einschätzung ist fraglich, denn bis heute gibt es keine international verbindliche Definition über die Quellen, die Finanzströme und die Vergabemodalitäten zur Erreichung des Hundert-Milliarden-Ziels.

Diese Zielvorgabe läuft nächstes Jahr ab, sie muss in Baku überarbeitet werden. Expert:innen der Uno schätzen den Finanzierungsbedarf des Globalen Südens zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens bis 2030 auf 2400 Milliarden Dollar. An dieser Summe muss sich die Konferenz messen, wenn sie am 22. November endet. Als eines der reichsten Länder der Welt steht die Schweiz in der Verantwortung, ihre Verpflichtungen gegenüber den besonders vulnerablen Ländern des Globalen Südens wahrzunehmen.

Fragwürdige Pionierrolle der Schweiz

Zweitens dürfte Artikel 6 des Pariser Abkommens eine wichtige Rolle an der COP29 spielen. Dieser soll unter anderem die Rahmenbedingungen im internationalen Emissionshandel regeln. Er erlaubt etwa, dass Länder ihre selbstverursachten CO₂-Emissionen über Klimaschutzprojekte in anderen Staaten kompensieren können. Vorreiterin in der Anwendung dieses Instruments ist die Schweiz. Sie schloss 2022 das weltweit erste «Klimaschutzprojekt» im Rahmen des Pariser Abkommens mit Ghana ab: die finanzielle Förderung von klimafreundlichen Methoden beim Reisanbau.

Diese Art der Kompensation ist umstritten, denn sie erlaubt der Schweiz letztlich, die Emissionsreduktionen im Inland zu verschleppen. Aktuell ist der Artikel 6 so schwammig ausgestaltet, dass der Schweizer Weg erlaubt und sogar erwünscht ist, auch wenn die Kritik daran wächst und sich etwa die Europäische Union explizit dagegen ausspricht. Die EU setzt bewusst nicht auf Kompensationen im Ausland und will die verpflichtenden Klimaschutzziele selbst erreichen.

Vor diesem Hintergrund hätte die WOZ gerne Einsicht in das vom Bundesrat genehmigte COP29-Mandat der Schweizer Delegation gehabt, der auch SVP-Umweltminister Albert Rösti angehört. Wie aktiv verteidigt die Schweiz den aktuell schwammigen Artikel 6? Da Bundesratsentscheide nicht dem Öffentlichkeitsgesetz unterstehen, bleiben das aktuelle wie auch die früheren Mandate unbekannt.

Drittens dürften in Baku die ersten Länder aktualisierte «national festgelegte Reduktionsziele» (NDCs) präsentieren. Sämtliche Uno-Vertragsstaaten sind nämlich verpflichtet, ihre NDCs bis Februar 2025 einzureichen und so ihre Klimaschutzbeiträge bis 2035 zu definieren. Bis jetzt gibt die Schweiz in ihrem NDC an, dass sich die jährlichen Pro-Kopf-Emissionen hierzulande auf rund fünf Tonnen CO₂ belaufen. Die durch unseren Konsum importierter Güter anfallenden Emissionen über rund sieben Tonnen CO₂ pro Person werden ignoriert. Auch hier erweist sich die Schweiz als Trickserin. Und auch hier lassen es die aktuellen Uno-Bestimmungen zu.