Umweltpolitik: Rettet die Verbandsbeschwerde!
Die Abstimmung zum Stromgesetz im Sommer fiel deutlich aus: Fast siebzig Prozent sagten Ja. In einem Anhang der umfangreichen Vorlage sind sechzehn Wasserkraftprojekte aufgelistet, deren Bau nun Priorität haben soll. «Als die Schweiz letzten Juni Ja zum Stromgesetz sagte, sagte man auch Ja zu sechzehn neuen Wasserkraftprojekten»: So hiess es kürzlich in der SRF-«Tagesschau». Aber eine Abstimmung ist kein Bewilligungsverfahren. Auch der Bundesrat betonte im Argumentarium zum Stromgesetz: «Die Beschwerdemöglichkeiten von Privaten und Verbänden bleiben bestehen.»
Doch nur wenige Monate nach der Abstimmung griff die Umweltkommission des Ständerats das Verbandsbeschwerderecht an: Es soll für die sechzehn Wasserkraftprojekte nicht gelten (siehe WOZ Nr. 42/24). Die Kommission will diese Einschränkung in den sogenannten Beschleunigungserlass packen, der am Dienstag in den Ständerat kommt – zusammen mit weiteren Verschlechterungen für die Umwelt.
Mit dem Verbandsbeschwerderecht können Umweltverbände gerichtlich prüfen lassen, ob grosse Bauprojekte gesetzeskonform sind. Seit Jahrzehnten wenden sie dieses Instrument zurückhaltend an und haben oft Erfolg damit. Was zeigt: Viele Bauprojekte sind tatsächlich nicht gesetzeskonform. Wenn ein Umweltverband recht bekommt, führt das auch nicht unbedingt zum Abbruch der Übung, sondern oft zu einer Verbesserung des Projekts.
Sogar manche Sozialdemokrat:innen liebäugeln mit einer Einschränkung des Verbandsbeschwerderechts, weil sie möglichst schnell neue Wasser-, Wind- und Solarkraftwerke bauen wollen. Doch es ist eine Illusion, zu glauben, man könne dieses Recht ohne Schaden selektiv begrenzen. Eine Aufweichung des Verbandsbeschwerderechts schwächt den Umweltschutz als Ganzes – und das ist durchaus im Sinn von Mitte-Rechts-Ständeräten in der Umweltkommission wie dem Walliser Beat Rieder. Sie wollen nicht nur neue Stauseen, sie wollen auch Restaurants und Ferienhäuser ausserhalb der Bauzonen, neue Skipisten und Strassen – möglichst ungeregelt, wo es ihnen gerade passt.