Rechtsextreme Geschichte: Brandsätze und Biedermänner

Nr. 4 –

Viel ist im kollektiven Gedächtnis nicht geblieben von jener Zeit, als quer durchs Land Asylunterkünfte brannten. Da gibt es diesen Song von Züri West, der die beklemmende Stimmung einfängt. «Wonigsbrand bim ne Emigrant – irgendwo ir Schwiz. U a dr Wand schteit KKK, u vor em Huus brönnt es wiisses Chrüz», singt Kuno Lauener 1989 in «Senne». Und da ist, kurze Zeit später erschienen, das Buch «Schweiz, wir kommen» von WOZ-Journalist Jürg Frischknecht, in dem sich eine so ausführliche wie alarmierende Chronik rechtsextremer Gewalttaten in der Schweiz findet.

Mindestens sieben Menschen werden Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre ermordet. Hinzu kommen Brandanschläge, die Schändung jüdischer Friedhöfe, Hakenkreuze und Naziparolen an Hauswänden. Ein entfesselter rechtsextremer Mob nimmt sich immer wieder den Raum, den ihm die Gesellschaft lässt. Mögen sich viele heute auch nicht mehr daran erinnern: Für jene, die von den selbsternannten Patrioten als nicht zugehörig ausgemacht wurden, waren es Jahre der Angst.

Am Wochenende hat eine eindrückliche Recherche im Tamedia-«Magazin» an die Opfer von damals erinnert: Die Journalistinnen machten die Familie Kandiah ausfindig, die in St. Gallen seit 36 Jahren in Trauer lebt – und mit einem unermesslichen Verlust: Bei einem Brand in Chur kamen ihre beiden Söhne Balamurali und Balamugunthan ums Leben.

Eine Aufklärung – das kritisierten schon die Zeitgenoss:innen, das zeigt nun auch der Bericht – hat es nie gegeben: Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein, obwohl von einer Brandstiftung auszugehen war und das Bekennerschreiben einer Neonazigruppe vorlag. Der Staat versagte nicht nur beim Schutz seiner Minderheiten, er trug auch aktiv zu Vertuschung und Vergessen bei.

Dabei wäre gerade jetzt, wo rechtsextreme Parteien vielerorts an die Macht drängen, die Erinnerung an damals umso wichtiger. Es gab ja nicht nur die Brandstifter, sondern auch die Biedermänner, die sie anfeuerten: In jenem Jahr 1989 forderte etwa ein aufstrebender Nationalrat namens Christoph Blocher die Ausrufung von Notrecht gegen die Asylsuchenden. Der Aufstieg seiner SVP zur grössten Partei: Er baut massgeblich auf der rassistischen Hetze jener Zeit auf.

Versagt haben damals auch die Medien: Meist handelten sie die Taten unter «ferner liefen» ab, ordneten sie kaum je politisch ein. Von einem «Pogrom in aller Stille» schrieb WOZ-Redaktorin Marianne Fehr in einem Kommentar. Umso lauter war dafür die Boulevardpresse: Der «Blick» fuhr eine regelrechte Kampagne gegen die «kriminellen Tamilen».

Ohne diesen politisch-medialen Kontext sind die Ereignisse nicht zu verstehen. Der Historiker Jonathan Pärli fordert in dieser WOZ denn auch nicht nur eine lückenlose Untersuchung der Fälle, sondern auch eine politische Aufarbeitung. Ebenso nötig ist es, den Namen und Geschichten der Opfer – jener, die bekannt sind, und jener, die vielleicht vergessen gingen – Platz im kollektiven Gedächtnis zu erstreiten: Balamurali und Balamugunthan Kandiah, Thevarajah Sinnethamby, Sathivel Thambirajah, getötet in Chur; Jorge Gomes, getötet in Zürich; Mustafa Yildirim, getötet in Fribourg; Santhakumar Sivaguru, getötet in Regensdorf.

Viel zu erwarten ist von Politik und Justiz bei der Aufarbeitung indes nicht: So wie sich die Opfer von damals nicht auf den Schutz des Staates verlassen konnten, dürfte auf ihn auch nun kein Verlass sein. Bestätigt haben das nicht zuletzt die Fälle rassistischer Polizeigewalt in den letzten Jahren, die Tötung von Roger «Nzoy» Wilhelm in Morges oder von Mike Ben Peter in Lausanne.

Dass die Erinnerung gegen den Staat erkämpft werden muss, hat sich in Deutschland gezeigt, wo in den Neunzigern ebenfalls die Asylzentren brannten. Während der Staat auch dort verharmloste und untätig blieb, bemühten sich migrantisch geprägte und antifaschistisch-solidarische Gruppen um Aufklärung. Und sorgten dafür, dass die Namen der Opfer über die Jahre in Erinnerung blieben.