Wichtig zu wissen: Der Sieg der Dumpfheit

Nr. 4 –

Ruedi Widmer über die Menschen

Es gibt Politikerinnen, die ihre Wähler voranbringen wollen, und es gibt Politiker, die von ihren Wählerinnen vorangebracht werden wollen. Der verurteilte Kraftmeier Trump ist einer der Letzteren. Sein herumzappelnder Hitlergrüssaugust auch.

Dass ein verurteilter Straftäter Präsident werden kann, ist gar nicht so unüblich, denn Trumps Straftaten sind ja nur Straftaten in der Welt der Regeln, in der Welt des Rechtsstaats. In der Menschheitsgeschichte sind solche Wahlen nicht unüblich.

In unserer neuen Welt der zelebrierten Dumpf- und Dummheit, im ehemaligen «Westen», sind sie Ausdruck eines Kampfes von vermeintlich unten gegen oben, vom einfachen Arbeiter wie dem Milliardär Trump gegen die mächtige, aber in Wirklichkeit bereits angeschlagene Staatsgewalt.

Die gewohnte internationale Ordnung und die Errungenschaften der Menschenrechte  bricht ohne die USA ein. Europa ist alleine zu schwach, um sie zu stützen. Irgendwann werden wir uns vielleicht Australien und Japan am nächsten fühlen. Man kann diese westliche Ordnung natürlich kritisieren, man durfte die USA immer kritisieren, aber letztlich sind wir durchschnittlichen Bewohner:innen der Schweiz und Westeuropas Geschöpfe dieser westlichen Welt.

Um würdig leben und arbeiten zu können, braucht es Regeln. Trumps Wähler:innen aus der Arbeiter:innenschicht haben keine Ahnung, was auf sie zukommt, ebenso viele AfD-Sympathisant:innen in Deutschland. Eigentlich wollen sie ja einfach zurück in die Siebziger oder Achtziger, in die einfache Welt ihrer Jugend, was natürlich schon der erste Irrtum ist. Aber sie haben sich nie vorgestellt, dass ihre angehimmelten Polit- und Technologiestars gleich in die Zeit vor der Französischen Revolution zurückwollen. In eine Zeit wilder Schlachten, für traditionellere Menschen mit Hellebarden, für die Techies wie Elon Musk mit Laserschwertern.

Doch die meisten, die rechts wählen, wollen nicht kämpfen. Sie wollen Job, Haus und Auto und einfach sagen, was sie denken. Das konnten sie bisher, es wurde ihnen aber mit geschickter psychologischer Propaganda aus den eigenen Reihen ausgeredet, dass sie es bereits können, mit dem Totschlagargument, alles sei heute «woke». Und die Löhne wurden ihnen auch aus den eigenen Reihen gekürzt; die Einwander:innen aus den eigenen Reihen aus «Optimierungsgründen» angeworben; die Flüchtlinge von den eigenen Idolen nach Europa gehetzt (Assad, Putin, Erdoğan). Bald werden sie wirklich nichts mehr sagen dürfen. Merken werden sie es erst, wenn es zu spät ist.

Ohne Regeln gewinnt der Stärkere. Auch im Kleinen. Dieser neuen Welt der Reichen werden neue Ordnungen übergestülpt. Weltweit werden Staaten zerfallen und sich neue Fürstentümer und Warlordgebiete bilden. Permanente Kriege (wie sie Putin kürzlich ankündigte) und Sklaverei werden auch für uns zum Thema.

Politikwissenschaftler:innen wie Samuel P. Huntington gingen einst davon aus, dass es irgendwann eine grosse Konfrontation geben werde. Nur sieht diese anders aus als vorausgesagt. Kein Krieg der muslimischen gegen die westliche Welt wie in «Kampf der Kulturen», sondern ein Krieg der impulsgesteuerten Menschen gegen die reflektierenden Menschen. Das ist der Spalt, der uns allen stets unbewusst immer aufgefallen ist und auffällt, vom Kindergarten bis ins hohe Alter.

Nur wenn reflektierende Menschen die Geschicke der Welt leiten, kann Friede herrschen. Das dient auch dem friedlichen Grossteil der impulsgesteuerten Menschen.

Es ist befreiend, aus der momentanen Gefühlslage heraus einen solch impulsgesteuerten Text zu schreiben. Ich hoffe fest, er wird in zwanzig Jahren so lächerlich anmuten wie heute Francis Fukuyamas «Das Ende der Geschichte» und Huntingtons «Kampf der Zivilisationen».

Ruedi Widmer ist Cartoonist in Winterthur.