USAID in Afghanistan: «Solche Entscheide treffen uns immer zuerst»

Nr. 7 –

Während das Land weiterhin unter Inflation, Hungerkrise und Sanktionen ächzt, droht mit dem Wegfall der US-Hilfsgelder ein ganzer Wirtschaftszweig einzubrechen. Afghanistan steht damit vor existenziellen Fragen.

Männer vor Lastwagen mit Getreidesäcken und Lebensmitteln in Kabul
Auf dem grossen Getreidemarkt von Kabul: Die Lebensmittelpreise in Afghanistan
steigen und steigen.
Foto: Elise Blanchard, Getty

Die Stimmung auf der Sarai Schahsada, der «Kabuler Wall Street», wie der Geldumschlagplatz in der afghanischen Hauptstadt auch genannt wird, ist angespannt. Wieder hat der Afghani, die Landeswährung, an Wert verloren. «Wir sind im freien Fall. Das wird nicht schön», sagt einer der Händler, während er seine Scheine zählt. Viele Menschen scheinen besorgt, sie greifen im Minutentakt nach ihren Smartphones, um keine News zu verpassen.

Karim Hakimi kann die angespannte Stimmung gut erklären – und zwar aus eigener Betroffenheit. «Mein Job ist weg, und ich weiss nicht, wie es weitergehen wird», sagt der 27-Jährige aus Kabul mit einer Mischung aus Enttäuschung und Verbitterung. Im vergangenen Jahr erst begann Hakimi für das International Rescue Committee, eine internationale Hilfsorganisation, zu arbeiten. Damit gehörte er zu den wenigen Glücklichen im Land, die einen verlässlichen Job hatten. «Ich entschied mich zum Bleiben, trotz der Repressalien der Taliban», erzählt Hakimi, der eigentlich anders heisst; wegen Sicherheitsbedenken will er anonym bleiben. Sein Wirtschafts- und Englischstudium hat er bereits vor rund zwei Jahren abgeschlossen, aber innerhalb des Taliban-Regimes, das gerne die eigenen Leute bevorzugt, fand er keine Arbeitsstelle. «Das war mir nur recht», sagt Hakimi. «Unter denen kann ich nicht arbeiten.»

Nun aber hat ihn die erneute Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten eingeholt. Seit dessen Rückkehr werden täglich neue Dekrete unterzeichnet, die mitunter Auswirkungen weit über die Landesgrenzen hinaus haben. So auch in Afghanistan, dessen Schicksal seit über zwanzig Jahren eng mit den USA verknüpft ist. Und mit Trump selbst: Seine Regierung war es gewesen, die im Jahr 2020 in Katar den «Doha-Deal» mit den militant-islamistischen Taliban unterzeichnete. Das Abkommen hatte den späteren Abzug der Nato-Truppen zur Folge, wodurch das Land abermals den Extremisten überlassen wurde. Trump nannte die Taliban damals «tough people», also starke Leute, während er die eigenen Verbündeten am Hindukusch faktisch in den Abgrund stiess.

Ein wichtiger Wirtschaftssektor

Nun hat sich Trump dazu entschlossen, jegliche Entwicklungshilfe für das Land während mindestens neunzig Tagen einzustellen. Auch die Lieferung lebensrettender Medikamente wurde gestoppt. USAID, die Behörde für internationale Entwicklung, wurde kurzerhand eingestampft.

Die unmittelbaren Folgen sind verheerend. Bereits seit dem Abzug des US-Militärs vor vier Jahren ist das Land mit Sanktionen belegt. Afghanische Devisenreserven in Höhe von rund sieben Milliarden US-Dollar sind weiterhin eingefroren; die Hälfte davon liegt in einem Treuhandfonds in Genf (siehe WOZ Nr. 28/24). Was damit geschieht, bleibt unklar, bis heute wurde der afghanischen Bevölkerung kein einziger Cent ausgezahlt. Expert:innen kritisieren unentwegt, dass von den drastischen internationalen Sanktionen nicht in erster Linie das Taliban-Regime, sondern die verarmte Bevölkerung getroffen wird.

Ähnlich verhält es sich nun mit dem Stopp der Entwicklungshilfe, die seit 2021 ohnehin drastisch eingebrochen ist. Humanitäre Nothilfe in der Höhe von rund 2,1 Milliarden US-Dollar ist in den letzten drei Jahren aus Washington nach Afghanistan geflossen; zwischen 2010 und 2020 waren es noch zwischen 10 und 12 Milliarden, die allein über USAID ins Land kamen. «Ich bin nun arbeitslos, aber andere werden hungern oder erkranken», sagt Karim Hakimi. Dennoch wagt er, auf einen Richtungswechsel in Washington zu hoffen. «Vielleicht kommen die ja nach neunzig Tagen zur Vernunft», sagt er.

Auch Hakimis afghanische Kollegen beim International Rescue Committee, die in insgesamt sieben Provinzen des Landes tätig waren, verloren allesamt ihren Job. Laut Uno-Angaben sind in Afghanistan mindestens 35 000 Menschen in der humanitären Hilfe tätig. Obwohl nicht alle direkt für USAID arbeiten, wurden viele Organisationen und Projekte von deren Programmen mitfinanziert.

In Afghanistan ist die Sparte in den letzten zwei Jahrzehnten zu einem wichtigen Arbeitgeber geworden. Das wusste auch Idris Azizi, als er sich vor einigen Monaten um eine Stelle bei einer NGO bewarb. Zunächst klang alles gut, Azizi war optimistisch. «Ich hatte mich beworben und bekam die Stelle. Es hiess, dass ich im März mit der Arbeit beginnen könne», erzählt er. Nach dem Regierungswechsel in Washington folgte dann plötzlich die Absage.

Nicht alle Afghan:innen finden die Entscheidung Trumps gänzlich schlecht. Vor allem unter jenen, die im westlichen Ausland leben, wird sie von manchen begrüsst – denn sie versprechen sich davon eine Schwächung der Taliban. «Ich weiss, dass es für viele Menschen vor Ort sehr schwierig sein wird», sagt etwa die Menschenrechtsaktivistin Farimah Nikkhwah, «doch ich denke, dass dieser Schritt auch die Taliban treffen wird.» Seit vergangenem Jahr lebt Nikkhwah im deutschen Konstanz am Bodensee. Zuvor war sie in Kabul aktiv und demonstrierte gegen die Taliban. «Ich habe gesehen, wie sie Hilfsgüter nur an ihre eigenen Leute verteilten», so Nikkhwah.

Zum Verharren verdammt

«Solche Entscheidungen treffen uns immer zuerst», meint hingegen Sabihullah Mohammadi, ein Händler in Kabul. Auch er heisst eigentlich anders. Mittlerweile seien die Lebensmittelpreise abermals gestiegen, sagt Mohammadi; jene, die in der Regierung sässen und mitverantwortlich seien für die jüngsten Entwicklungen, würden solche drastischen Schritte kaum spüren. «Es interessiert die doch gar nicht», sagt Mohammadi, «und wer sie kritisiert, wird bedroht und beiseitegeschoben.»

Jüngst berichteten afghanische Medien, dass Mohammad Abbas Staniksai, der stellvertretende Aussenminister des Taliban-Regimes, sich ins Exil in den Vereinigten Arabischen Emiraten abgesetzt habe. Staniksai hat einst das politische Büro der Taliban in Katar geführt und eine wichtige Rolle beim Aushandeln des Doha-Deals gespielt. In den letzten Jahren wurde er zunehmend als kritische und rationale Stimme innerhalb des Regimes wahrgenommen; zuletzt kritisierte er die Taliban-Führung öffentlich wegen deren Bildungsverbot für Mädchen und Frauen. «Wir unterdrücken die Hälfte der Bevölkerung», meinte Staniksai wütend in einer Rede.

Während Staniksai als ranghoher Minister Afghanistan am Ende ganz einfach verlassen konnte, sind Millionen seiner Landsleute zum Bleiben gezwungen. So etwa weiterhin auch rund 1600 Afghan:innen, die sich aufgrund ihrer vormaligen Arbeit für die Islamische Republik vor Vergeltungsschlägen durch die Taliban zu fürchten haben – und denen deshalb Evakuierungen versprochen worden waren. Diese wurden seitens US-Regierung nun ausgesetzt, die Betroffenen müssen weiter ausharren. Rund 200 000 Menschen wurden seit dem Abzug der US-Truppen von der Biden-Regierung bereits aus dem Land geholt, darunter auch viele Ortskräfte, die Deutschland und andere involvierte Nato-Staaten zurückgelassen haben.

Viele der Evakuierten halten sich bis heute über die ganze Welt verteilt in Lagern auf, wo sie auf die Weiterreise warten. Und nun besteht die Sorge, dass das ganze Evakuierungsprogramm von der Trump-Regierung endgültig eingestellt werden könnte.