Medienpolitik: Wer spart die SRG kaputt?
Als medienkritischer Slogan hat der Titel schon etliche Runden gedreht: «Wir amüsieren uns zu Tode», so hiess Neil Postmans Polemik gegen die schädliche Wirkung des Fernsehens auf die Politik und den gesellschaftlichen Diskurs. Für das, was derzeit beim Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) veranstaltet wird, drängt sich eine andere Diagnose auf: Sie transformieren sich zu Tode.
Was läuft alles schief bei SRG und SRF? Dazu zwei Zahlen, an denen sich das gut zeigen lässt. Die eine Zahl: 24. So viele Personen wurden bei einer Publikumserhebung zum Radioangebot von SRF 2 Kultur befragt. Aus dieser Befragung habe man nun abgeleitet, dass die Hörer:innen auf diesem Sender keine Beiträge über Wissenschaft wünschten. Dies berichtet das «Wissenschaftsmagazin», das im Zuge der jüngsten SRF-Sparmassnahmen abgeschafft wird – worauf die Redaktion das Aus der Sendung gleich zum Thema machte.
Die andere Zahl ist ein bisschen höher: eine halbe Million. So viele Hörer:innen sollen die SRF-Radiosender laut vorläufigen Nutzungszahlen verloren haben, seit die SRG per Ende 2024 die Verbreitung ihrer Kanäle auf dem analogen UKW-Netz einstellte. Belastbare Zahlen sind zwar erst im Frühjahr zu erwarten, aber es klingt schon jetzt wie ein schlechter Witz: Man beruft sich auf eine qualitative Umfrage bei 24 Personen (gemäss Medienstelle: 20), um bei Radio SRF 2 Kultur das publizistische Angebot zusammenzustreichen – und das Mutterhaus SRG hängt gleich mal Hunderttausende von Hörer:innen ohne digitale Empfänger einfach ab.
Und was sagt SRF-Direktorin Nathalie Wappler, die für Interviews derzeit nicht zur Verfügung steht, wie die Medienstelle auf Anfrage mitteilt? «Wir wollen», so lässt Wappler sich zu den neusten Sparmassnahmen zitieren, «unsere Ressourcen noch konzentrierter dort einsetzen, wo sie beim Publikum die grösstmögliche Wirkung erzeugen.» Grösstmögliche Wirkung? Na, das scheint ja beim Radio schon prima geklappt zu haben.
Doch Häme ist hier fehl am Platz. Denn auch wenn die Streichungen, die SRF laufend verkündet, von aussen oft völlig konzeptlos und zufällig erscheinen, und auch wenn die Direktion kaum etwas tut, um ihre Strategie, sofern sie denn eine hat, halbwegs nachvollziehbar zu erklären: Es sind immer noch die Angriffe aus der Politik, die den Takt vorgeben.
Die ewigen Unterstellungen, SRF sei irgendwie zu links oder nicht rechts genug, sind dabei reine Schattengefechte. Sie liefern nur das diskursive Grundrauschen, das die Verunsicherung auf den Redaktionen vorantreibt. Und ein Stück weit gilt das auch für die Anti-SRG-Initiative «200 Franken sind genug!». Wobei Bundesrat und Parlament derzeit alles daran setzen, die Konsequenzen dieser «Halbierungsinitiative» vorwegzunehmen.
So hat SVP-Bundesrat Albert Rösti, der als Nationalrat noch im Komitee der Initiative sass, bereits durchgesetzt, dass die Empfangsgebühren in den nächsten vier Jahren von 335 auf 300 Franken gesenkt werden – woraus die SRG ihr aktuelles Sparziel von 270 Millionen Franken abgeleitet hat. Die vorberatende Kommission des Nationalrats geht noch einen Schritt weiter und will die Gebührenpflicht für Unternehmen ganz abschaffen. Das hätte zur Folge, dass die SRG nicht bloss siebzehn Prozent ihres Gesamtbudgets einsparen müsste, sondern 450 Millionen Franken, mithin also fast ein Drittel.
Überspitzt gesagt: Unter dem Vorwand, die drohende Zerschlagung der öffentlichen Medien durch die «Halbierungsinitiative» abzufedern, zerlegen Bundesrat und Parlament die SRG vorsorglich gleich selber.
Und was tut die SRF-Direktion? Sie versucht gebetsmühlenartig, ihre Kürzungs- und Entlassungswellen mit Bekenntnissen zu mehr Marktorientierung zu flankieren: Noch stärkere Anpassung ans Nutzungsverhalten! Dabei wäre das doch der Kern des Service public, dass er sich eben nicht um jeden Preis am Markt orientieren muss.