Bundesfinanzen: Schulden? Welche denn?
Der Bund schliesst mit einer fast ausgeglichenen Rechnung ab. Dennoch soll weiter gekürzt werden – auf Kosten der Ärmsten und des Klimas.
«Wir danken den Rohstoffhändlern», sagte Bundesrätin Karin Keller-Sutter vergangene Woche. Sie hatte darüber informiert, dass der Bundeshaushalt 2024 wider Erwarten fast ausgeglichen statt mit einem budgetierten Defizit von 2,6 Milliarden Franken abschliesst. Genfer Rohstofffirmen wie Vitol, Mercuria und Trafigura haben in den letzten Jahren Rekordgewinne eingefahren – und somit jetzt höhere Steuern bezahlt.
Keller-Sutter hätte auch sagen können: «Wir danken den Kriegsgewinnlern.» Denn die enormen Mehreinnahmen sind vor allem auf die gestiegenen Rohstoffpreise seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zurückzuführen. Der Branchenprimus Vitol allein erzielte 2023 einen Rekordgewinn von 13 Milliarden Franken.
Doch trotz der Mehreinnahmen, die auch noch in den kommenden Jahren fliessen werden, denkt der Bundesrat nicht daran, sein Sparpaket zu überdenken. An den Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit will er festhalten, zusammen mit weiteren Sparmassnahmen beim Klimaschutz, bei Wohlfahrt, Bildung und Forschung. Schliesslich hat die Schweiz eine Schuldenbremse, und die ausserordentlichen Schulden aus der Coronakrise sollen weiter abgebaut werden.
Doch was heisst eigentlich Schulden? Die Schweiz hat pro Kopf einen der höchsten Ausstösse klimaschädlicher Treibhausgase. Sie häuft damit jedes Jahr mehr Klimaschulden gegenüber anderen Ländern an, insbesondere gegenüber jenen, die jetzt schon stark von der Klimaerhitzung betroffen sind, obwohl sie viel weniger Treibhausgase ausstossen. Nur: Von diesen Schulden redet niemand.
Und dann sind da noch die Rohstoffhändler. Keller-Sutter hätte auch sagen können: «Wir danken den Klimakillern.» Denn laut einer Berechnung der NGO Public Eye sind allein die fünf grössten Rohstoffkonzerne der Schweiz für einen Treibhausgasausstoss verantwortlich, der den der Schweizer Bevölkerung (ohne Importgüter) um das Hundertfache übertrifft: vier Milliarden Tonnen CO₂. Damit sind sie, rechnet man mit Zahlen des deutschen Umweltbundesamts, für gesellschaftliche Schäden von 1200 Milliarden Euro mitverantwortlich.
So hat etwa Sambia selber einen minimalen Treibhausgasausstoss, wurde aber als Folge der Klimakrise im vergangenen Jahr von einer extremen Dürre heimgesucht. Eine Million Familien waren direkt betroffen. Viele Menschen konnten sich laut der Uno nur noch eine Mahlzeit pro Tag leisten und litten unter Hunger. Über 200 000 Menschen mussten fliehen.
Und was macht die Schweiz? Sie hat schon für dieses Jahr die Entwicklungszusammenarbeit mit Sambia gestrichen – im Rahmen der 2024 durch das Parlament beschlossenen Kürzung von 110 Millionen Franken bei der Auslandshilfe. Zusätzliche Kürzungen von 321 Millionen Franken, die weitere Länder treffen, sind unter dem schönfärberischen Schlagwort «noch stärker priorisieren» geplant.
Bürgerliche Politiker:innen sagen gerne, man wolle den kommenden Generationen keine Schulden hinterlassen. Faktisch aber hilft die Schweiz mit, die kommenden Generationen in eine existenzielle Klimakrise zu stürzen, auch hierzulande. Dabei hätte gerade die Schweiz kein Problem, viel mehr Geld einzunehmen: Sie könnte den Rohstoffhändlern eine Kriegsgewinnsteuer auferlegen (was der Nationalrat 2023 ablehnte); sie könnte von den Unternehmen steile CO₂-Absenkpfade verlangen und deren Ausstoss stärker besteuern (wogegen die Unternehmensverbände erneut heftig lobbyieren); sie könnte den Flugverkehr entsprechend seinen realen Kosten für die Umwelt zur Kasse bitten. Und natürlich könnte sie auch das Erbe der Superreichen besteuern, wie es die Juso mit ihrer Initiative fordert.
Karin Keller-Sutter behauptete vergangene Woche ins Blaue hinein: «Wir haben ein Ausgabenproblem und kein Einnahmenproblem.» Das ist pure neoliberale Switzerland-first-Ideologie, die zur Entsolidarisierung beiträgt. Tatsache ist: Die Schweiz nimmt im Gegenteil viel zu wenig ein, um ihre angehäuften sozialen und ökologischen Schulden bezahlen zu können.