Rohstoffplatz Zug: «Sind wir in der Verantwortung?»

Nr. 27 –

Trotz breiter Kritik ist Zug auch gut ein Jahr nach Putins Angriff auf die Ukraine eine Drehscheibe für russische Rohstoffe. Nun soll die Branche weitere Steuererleichterungen erhalten. SVP-Finanzdirektor Heinz Tännler nimmt Stellung.

Heinz Tännler
«Wir haben uns an demokratische Gesetze zu halten und nicht Moralpolitik zu betreiben»: Heinz Tännler.


WOZ: Herr Tännler, kurz nach Russlands Angriff auf die Ukraine gaben Sie sich selbstkritisch. Ein Jahr später ist Zug weiterhin Drehscheibe für russische Rohstoffe, mit denen Putin den Krieg finanziert.

Heinz Tännler: Wir setzen die Vorgaben zu den Sanktionen des Bundes eins zu eins um – das will ich hier nochmals in aller Deutlichkeit sagen. Wir gehen teilweise sogar darüber hinaus. Es ist nicht Aufgabe des Regierungsrats, die Unternehmen zu überwachen. Wir gehen davon aus, dass der Bund und die verantwortlichen Institutionen das im Griff haben. Zug ist ein Rohstoffplatz, das ist unbestritten. Ich kann aber nicht beurteilen, ob mit diesen Geschäften der Krieg finanziert wird. Ich finde diesen Angriffskrieg eine Katastrophe, und wir haben ihn als Regierung auch verurteilt.

Der Zuger Händler Glencore war laut der NGO Global Witness nach den Genfer Firmen Vitol, Gunvor und Trafigura im ersten Kriegsjahr der viertgrösste westliche Händler von russischem Öl. Dazu werden in Zug andere russische Rohstoffe umgeschlagen, etwa Gold über die Firma Open Mineral. Finden Sie es richtig, an solchen Geschäften zu verdienen?

Es ist eine schwierige Situation, das will ich nicht bestreiten. Aber ich weiss nicht, ob die Zuger Regierung aufgrund eines Bauchgefühls handeln muss. Es gibt andere Akteure in Europa, die hier einen Ausweg finden sollten. Der Krieg ist eine Katastrophe. Aber sind wir hier in der Verantwortung? Wenn wir einen Beitrag leisten können, bin ich aber der Letzte, der Nein sagen würde.

Sie halten sich nicht nur passiv an die Gesetze. Zug hat sich über Jahrzehnte um Firmen bemüht, die mit russischen Rohstoffen handeln – oder auch in russischem Besitz sind. Als die UBS kürzlich ihre Beziehung zum russischen Düngerkonzern Eurochem kappte, riefen Sie bei der Zuger Kantonalbank an und baten um Hilfe …

Nein, ich habe nicht eigenmächtig bei der Kantonalbank angerufen. Aufgrund einer Anfrage der Zuger Volkswirtschaftsdirektion, die mit Eurochem in Kontakt war, habe ich den Kontakt vermittelt, ohne mich materiell in die Angelegenheit einzubringen.

Ihre Partei schreit nach Neutralität. Ist es neutral, mit einem Aggressor Geschäfte zu treiben und so seinen Krieg zu finanzieren?

Ich weiss nicht, wie viel Handel die Zuger Rohstoffkonzerne mit dem Kriegsaggressor genau treiben. Aber ich weiss, dass einige ihren Sitz nach Dubai verlegt haben, weil die Umsetzung der Sanktionen offenbar wirkt.

Nochmals: Glencore etwa ist nach wie vor einer der grossen Player im russischen Rohstoffgeschäft.

Mag sein. Ich war in der Frage der Neutralität aber auch nie so strikt wie meine Partei. Ich habe immer gesagt, dass man sie der Zeit anpassen müsse.

Die Rohstofffirmen schreiben dank des Krieges historische Profite – Glencore machte im letzten Jahr 34 Milliarden US-Dollar Gewinn. Eine Kriegsgewinnsteuer, wie sie etwa von der NGO Public Eye gefordert wird, wäre doch das einzig Vernünftige …

Das sehe ich anders. Wenn die Firmen einen Übergewinn machen, müssen sie diesen regulär versteuern. Wenn eine Firma schlecht abschneidet, fordert auch niemand einen Steuererlass.

Die Steuern werden seit Jahrzehnten immer weiter gesenkt. Sie wollen nun die Einnahmen aus der OECD-Mindeststeuer teilweise nutzen, um den Rohstoffkonzernen Klimamassnahmen zu subventionieren. Trotz gigantischer Profite werfen Sie den Firmen noch mehr Geld nach?

Halt. Wir geben nichts an die Rohstoffkonzerne zurück. Von den rund 225 Millionen Franken, die Zug jährlich erhalten wird, geben wir rund 40 Millionen an den Finanzausgleich weiter. Mit dem Rest machen wir Standortförderung, dazu gehört auch die Finanzierung von Kinderbetreuung. Und ein Teil geht für Forschung, Entwicklung oder Nachhaltigkeitsprojekte an die Firmen.

Auch an Rohstofffirmen. Sie schreiben in einem Bericht, dass Sie diese für Klimaziele finanziell belohnen wollen.

Das ist erst eine Idee, es ist nichts entschieden. Und die Gelder sollen allen Branchen zukommen, entsprechend auch dem Rohstoffhandel. Als Rechtsstaat behandeln wir alle gleich und können nicht einzelne Branchen selektiv bevorzugen oder benachteiligen.

Sie wollen die Rohstoffbranche zusätzlich mit einer Tonnagesteuer subventionieren, die in Bern derzeit beraten wird. Statt nach ihrem Gewinn sollen Reedereien oder Rohstoffhändler mit eigenen Flotten anhand der Kapazität ihrer Schiffe besteuert werden.

Das ist nicht meine Idee, sie kommt vom Bund.

Sie setzen sich aber in der Finanzdirektorenkonferenz für die Steuersenkung ein.

Ich bin in dieser Frage keine treibende Kraft, unterstütze die Vorlage aber mit der grossen Mehrheit der Finanzdirektoren. Die Tonnagesteuer wird auch international für richtig befunden …

Sie wird nicht für richtig befunden – sie ist erlaubt.

Erlaubt, weil für richtig befunden. Wir haben uns an demokratische Gesetze zu halten und nicht Moralpolitik zu betreiben.

Sie sagten kürzlich, dass sich andere Kantone im Steuerwettlauf mehr anstrengen sollten. Warum glauben Sie, dass es immer Zwergkantone oder -staaten sind, die die tiefsten Steuern haben?

Wir sind flexibel, schnell und dynamisch, wir können Reformen so besser umsetzen. Es ist einfacher, mit elf als mit über hundert Gemeinden zu verhandeln.

Entscheidend ist doch, dass der Zwergkanton Zug oder auch Singapur geringe Infrastrukturkosten haben. Sie nehmen trotz minimaler Steuern genug ein. Sie tun so, als könnten das alle, wenn sie sich nur etwas anstrengten.

Ich sage nur, dass sie ein paar Hausaufgaben erledigen sollten, um stärker zu werden. Und ich bin nicht gegen den Finanzausgleich, ich stehe zu hundert Prozent dahinter.

Ihr Kanton schwimmt im Geld, weil er die Steuern derart senken konnte, dass er aus der halben Welt Konzerne angelockt hat, die hier ihre Profite versteuern. Kein wahnsinniges Verdienst.

Doch, wir haben wirtschaftsfreundliche Rahmenbedingungen geschaffen – auch für KMUs. Dafür müssen wir uns nicht rechtfertigen.

Anderen fehlt das Geld. 39 Prozent der Profite, die in der Schweiz versteuert werden, wurden laut der Universität Berkeley im Ausland erwirtschaftet.

Es gibt auch andere Studien mit anderen Argumenten, sogar aus der Schweiz. Wir haben hier im Rahmen der Gesetze, der Verfassung und der internationalen Vorgaben unseren Job zu erledigen. Und das machen wir.

Sie sagen, dass Sie nicht wüssten, wie viel russische Rohstoffe hiesige Firmen handelten. Da die Schweiz kein Eigentumsregister kennt, kennen Sie oft auch deren Eigentümer nicht. Diese Intransparenz wirke auf Firmen wie ein Magnet, sagten Sie einmal. Ist das nicht ein unhaltbarer Zustand?

Es ist tatsächlich ein unschöner Standortvorteil. Ich bin dafür, dass die Schweiz ein Eigentumsregister einführt, damit wir wissen, wem die Firmen gehören. Wir sind der einzige Staat in Europa, der kein solches Register führt.

Der Bundesrat will Mitte August ein entsprechendes Gesetz vorlegen.

Ja, ich hoffe, dass das im Parlament auf eine vernünftige Art und Weise gelöst wird. Sonst wird uns das Ausland eine Reform aufoktroyieren. Und diese werden wir dann kaum beeinflussen können.

Sind Sie auch dafür, dass das Register öffentlich ist, wie es etwa die grüne Zuger Nationalrätin Manuela Weichelt fordert?

Das ist gar nicht zu verhindern. In der Schweiz gilt das Prinzip, dass verwaltungsinterne Informationen grundsätzlich öffentlich sind. Die Journalisten werden das Register herausverlangen und Transparenz schaffen.

Ihre Partei hat jedoch die Ausweitung des Geldwäschereigesetzes auf Anwälte bekämpft: Diese gründen etwa Sitzgesellschaften, hinter denen Vermögen versteckt werden können. Auch hier will der Bundesrat eine neue Reform vorlegen. Unterstützen Sie das?

Wir haben als Zuger Regierungsrat vor einiger Zeit eine Vernehmlassungsantwort abgegeben, in der wir eine entsprechende Reform abgelehnt haben, weil Anwälte bereits heute Kontrollen unterstehen. Kommt eine neue Vorlage, wird man diese aber aufgrund der neuen Situation prüfen müssen.

Also Ja?

Wenn die Reform nicht zu einer völligen Bürokratisierung führt und sie vernünftig ist.

Als Sie das Fernsehen nach Kriegsbeginn zur Umsetzung der Sanktionen befragte, wirkten Sie überfordert. Auch ein Jahr danach haben Sie oft keine Ahnung, wer hinter einer Zuger Firma steckt.

Nein. Aber es liegt in der Zuständigkeit des Bundes, die entsprechenden Vorgaben zu machen, die wir dann auch umsetzen.

Es ist doch stossend, dass Sie als Zuger Finanzdirektor oft keine Ahnung haben, wer die Eigentümer:innen hinter den hiesigen Firmen sind …

Das ist politisch so gewollt und auf Bundesebene gesetzlich so geregelt.

Sie reden Ihre Rolle klein und verweisen auf den Bund, um keine Verantwortung übernehmen zu müssen. Sie haben als Zuger Finanzdirektor Gewicht: Sie könnten handeln, Taten fordern. Doch man hört nichts von Ihnen – nur dass man sich an die Gesetze halte.

Ja, als Exekutive sind wir für die korrekte Umsetzung der Gesetze verantwortlich, alles andere wäre Willkür.

Sie fördern die Rohstoffkonzerne, wo Sie nur können, tun nichts gegen die Intransparenz und wälzen jegliche Verantwortung auf den Bund ab.

Weder verdammen wir die Konzerne, wie dies die Linke tut, noch fördern wir sie. Für Rohstoffunternehmen gelten die gleichen Gesetze und Rahmenbedingungen wie für alle Firmen, weil wir ein Rechtsstaat sind, der die verfassungsmässige Niederlassungs- und Wirtschaftsfreiheit hochhält.