Auf allen Kanälen: Die Fehlbesetzung
Droht eine «Weimer-Republik»? Die Ernennung von Wolfram Weimer zum deutschen Kulturstaatsminister löst heftige Reaktionen aus.

Ein Hauch von trumpscher Personalpolitik liege da in der Luft, erklärte der deutsche Filmkritiker Rüdiger Suchsland in der Sendung «Kulturzeit» auf 3sat. Hat der neue CDU-Kanzler Friedrich Merz doch einfach seinen alten «Golfkumpel» – und Villennachbarn am noblen Tegernsee – Wolfram Weimer zum Kulturstaatsminister ernannt. Diesem fehle «kulturpolitisch» jede Erfahrung, so Suchsland weiter, einen «Sinn für Kultur» habe der Publizist und Verleger aber schon – was nicht wie ein Kompliment klang.
Politisch sei Weimer «rechts aussen» zu verorten und bis jetzt hauptsächlich mit «erzkonservativen Ansichten» aufgefallen. Sekundiert wird Suchsland im Beitrag von Schauspieler Ulrich Matthes. Dieser nennt Weimer einen «stramm konservativen, wirtschaftsliberalen Medienmenschen» – und, was problematischer sei, einen «Ideologen».
Kapitän des Kapitals
Für Weimer deutlich schwerer wiegen dürfte allerdings das so knappe wie vernichtende Urteil von Jürgen Kaube, Herausgeber und Feuilletonchef der FAZ: Weimer sei «der falsche Mann am falschen Platz» – «um es gelinde zu sagen». Das Leibblatt der deutschen Konservativen knöpft sich vor allem Weimers «Konservatives Manifest» vor. Kaube findet darin zahlreiche Unstimmigkeiten, die für einen Kulturminister sehr peinlich seien: etwa die Verwechslung von «sozial» und «soziologisch» und die Beschreibung der Renaissance als «amoralisch».
Im Kunstmagazin «Monopol» stellt WOZ-Autor Tobi Müller die These auf, Weimers Kernkompetenz sei wohl vor allem «die Bereitschaft zum Kulturkampf». Klingt plausibel. Sogar innerhalb des bürgerlichen Lagers ist bereits ein Kulturkampf ausgebrochen. Während die FAZ den Merz-Freund treffsicher abwatscht, findet die immer weiter nach rechts rückende NZZ minimal nette Worte zur Ernennung: «Als Gegenpol zur links-grünen Hegemonie im Kultursektor mag Weimer sich eignen.»
Und Weimer selber? Der wirkt in ersten Statements nach der Ernennung vor allem: defensiv und abwiegelnd. Er sei weder Kulturkämpfer noch «Sparkommissar» und schreibe «seit Jahren» gegen Rechtspopulismus an, kontert er seine Kritiker:innen im Interview mit dem «Stern». Dort lanciert er sich auch als «Mann der bürgerlichen Mitte», was natürlich einer der ältesten Schafspelztricks rechter Wölfe ist. In seinen Texten argumentierte der Gründer der stramm rechten Zeitschrift «Cicero» jedenfalls seit jeher ultralibertär, völkisch und sturzbieder.
Überall wittert er Freiheitsverlust, sogar beim Sicherheitsgurt im Auto. Der Staat trete auf wie ein «Ober-Sheriff», etwa mit dem «ARD-ZDF-Gebührenzwang»; auch «jede einzelne Steuererklärung in Deutschland» beweise «ein Freiheitsdefizit». Europa «vermehrt sich nicht mehr», jammert er weiter – dafür sei nun die asiatische Küche «geschmacksdominant». Als er mit seiner Weimer Media Group das Magazin «Business Punk» übernahm, strich er das Redaktionsbudget zusammen. Klingt leider klar nach Sparkommissar.
In Talkshows schmiedet der einstige Chefredaktor von «Die Welt» argumentative Hufeisen von den Grünen zur AfD und zurück: Beide missfallen ihm, vor allem die Grünen. Weimer äussert sich zu Gott, Familienglück und Parteipolitik, aber kaum je zu Kultur. Nein, halt: Er und seine Frau, die nun die Mediengruppe allein leiten wird, haben der Band Scorpions den Preis «Wind of positive Change» verliehen, weil sie «grosse Musik» und eine «grosse Idee der Freiheit» verkörpere. Seine Bücher tragen Titel wie «Kapitäne des Kapitals» und «Sehnsucht nach Gott. Warum die Rückkehr der Religion gut für unsere Gesellschaft ist». Nur mit der neusten rechten Garde kann Weimer nicht so gut: Nach Alice Weidels Talk mit Elon Musk meinte er, das Gespräch werde ihr schaden – und Musk merke man halt den Drogenkonsum an. Diese «Abgrenzung» macht auch nichts besser.
Kultur in Angst
Bei jedem Rechtsruck steht die Kultur verschärft unter Druck: finanziell wie politisch. Sie hätte einen besseren obersten Kulturkommissär verdient als diesen christlichen Erzreaktionär. Die deutsche Kulturwelt hatte ja befürchtet, dass der glücklose Berliner Kultursenator Joe Chialo das Rennen machen würde. Nun kam es klar schlimmer.
Bei Redaktionsschluss haben schon mehr als 70 000 Menschen eine Petition gegen Weimers Ernennung unterschrieben.