Kost & Logis: Wär hets würklech erfunge?
Ruth Wysseier über grosse Erfolge und traurige Lieder

Beginnt man aufzuzählen, was man alles geleistet und erfunden hat, ist man meist in der Defensive oder glaubt, zu kurz zu kommen. Dann muss man halt alles selber sagen. In Zürich ist das Phänomen etwa von einem gealterten Privatradiopionier bekannt.
Schöner ist es, wenn die Auszeichnung von aussen kommt. Ein Pionier der Zahnmedizin, der Berner Professor Daniel Buser, wurde 2024 von der Harvard-Uni ausgezeichnet. Richtig tragisch ist, dass der Harvard-Professor Steven Pinker in der «New York Times» seine Hochschule gegen die Angriffe der Regierung verteidigen musste: 52 Nobelpreise, 5800 Patente, die erste Organtransplantation, der programmierbare Computer – alles Harvard. Sogar das Backpulver wurde dort erfunden.
Beim Erfinden von Küchenhilfsmitteln ist die Schweiz locker auf Augenhöhe, wie sie am ESC in einem charmanten hausgemachten Musical aufzählte: Knoblauchpresse und Sparschäler sind auf unserem Mist gewachsen, Müesli und Instantkaffee sind made in Switzerland, aber auch das Internet, die Relativitätstheorie und LSD haben Schweizer Wurzeln. Und auch der ESC – damals hiess er noch Grand Prix Eurovision de la Chanson européenne – wurde hierzulande erfunden, 1956 in Lugano. Gewonnen hatte die Schweiz mit Lys Assia.
Beim ESC hat vor einem Jahr genau genommen nicht die Schweiz gewonnen, sondern ein Megatalent aus Biel, Kanton Bern – Nemo mit «The Code». Weil Gutmütigkeit und Grosszügigkeit dem Berner Charakter entsprechen, haben wir die ESC-Austragung Basel geschenkt. Dort werden sonst meist nur kleine weisse Pillen in kleinen weissen Schachteln mit kleingedruckten Beipackzetteln erfunden.
Das bernische Seeland schenkte den USA gar einen Präsidenten: Barack Obamas Urururururururgrossvater war Johannes Gutknecht aus Kerzers. Und einen Helden: Die Vorfahren von Chesley Sullenberger alias Sollenberger, dem Piloten, der 2009 seinen Airbus A320 durch einen Entenschwarm steuerte und sicher auf dem Hudson River landete, stammen aus dem bernischen Wynigen.
Auf Berndeutsch werden die schönsten Geschichten von Heimweh, Fernweh und Liebeskummer geschrieben, besungen und gerappt. Das hat der Zürcher Stascha Bader in seinem aktuellen Dokfilm «Das Geheimnis von Bern» herausgefunden.
Was hat die WOZ erfunden? Eine sehr demokratische, gut funktionierende kollektive Organisationsform, die auf Qualitätsjournalismus, Lohngleichheit und geschlechtergerechte Sprache baut. Sie sollte längst schon Gegenstand arbeitssoziologischer Forschung sein.
Ich habe mal einen Witz erfunden, der gut zum Titel «Kost und Logis» passt. Er fiel mir ein, als ich an Frankreichs Küste auf das Grab des Dichters François-René de Chateaubriand stiess. Der Witz geht so: Chateaubriand hat eine Trilogie geschrieben. Die Titel heissen «Saignant», «À point» und «Bien cuit». Noch nie hat ihn jemand lustig gefunden. Darum schreibe ich meist ernstere Sachen.
Ruth Wysseier lebt am linken Bielerseeufer. Sie kennt unter anderem «Louenesee», «Redt si no vo mir» und «Ds Vreneli ab em Guggisbärg», das mit der kleinen positiven Note von Steff la Cheffe.