Pressefreiheit: Angriff am Paradeplatz
Die Zürcher Staatsanwaltschaft hat Geräte beschlagnahmt, Unterlagen mitgenommen, eine veritable Razzia veranstaltet. Sie ging mit der Aktion gegen das Finanzportal «Inside Paradeplatz» vor, auch die Privatwohnung des Betreibers Lukas Hässig hat sie durchsucht. Der Vorwurf: Er habe mutmasslich das Bankgeheimnis verletzt.
Hässig hat 2016 über die Geschäftsbeziehungen zwischen dem ehemaligen Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz und dessen Vertrautem Beat Stocker berichtet. Sie hatten bei Firmen investiert, die später an Raiffeisen und die Aduno-Gruppe verkauft wurden – ein Geschäft, das Gegenstand eines der prominentesten Wirtschaftsstrafverfahren der Schweiz wurde. Klassischer Investigativjournalismus also – für den Hässig nun bestraft zu werden droht. Mit der Untersuchung gegen «Inside Paradeplatz» wird ein Szenario konkret, das seit 2015 befürchtet werden musste. Damals schrieb das Parlament einen neuen Passus ins Schweizer Bankengesetz, der es den Strafverfolgungsbehörden erlaubt, nicht nur gegen Personen vorzugehen, die Bankdaten leaken, sondern auch gegen Dritte, die diese dann veröffentlichen.
Dass die Verschärfung insbesondere Journalist:innen treffen könnte, davor warnten bereits damals Expert:innen und selbst die Uno. Deren Berichterstatterin für Meinungsfreiheit schrieb, das Schweizer Bankengesetz sei ein Beispiel für die Kriminalisierung von Journalismus. «Das ist normalerweise ein Problem in autoritären Staaten.» Im Ranking der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen verlor die Schweiz mehrere Plätze.
Das Vorgehen gegen «Inside Paradeplatz» zeigt: Der Angriff auf die Pressefreiheit ist real. Und er kommt zu einem kritischen Zeitpunkt: weil er sich gegen eine ohnehin schon geschwächte Medienlandschaft richtet. Wer finanziert heute noch aufwendige Investigativrecherchen? Und wer macht sie, wenn der eigene Computer vor dem Staat nicht mehr sicher ist? Das Parlament übrigens zeigt sich bisher lernresistent: Während der Nationalrat 2023 eine Lockerung des Gesetzes anstrebte, hat der Ständerat diesen Vorstoss versenkt – und stattdessen den Bundesrat beauftragt zu prüfen, ob die Strafbarkeit grundsätzlich auf die Veröffentlichung «rechtswidrig erhaltener Daten» auszudehnen sei.