Ein Traum der Welt: Blut ins Hirn!

Nr. 40 –

Annette Hug informiert sich bei Experten

Diesen Artikel hören (4:10)
-15
+15
-15
/
+15

«Managertyp beim Sport» hiess das Beispiel für den Herzinfarkt, dafür sei Todesangst ein häufiges Symptom. Wir wollten uns informieren, wie ein Defibrillator zu verwenden sei. Die sollen ja nicht vergeblich herumhängen. Im Zürcher Volkshaus, Blauer Saal, referierten Experten im Auftrag der Schweizerischen Herzstiftung. Am Schluss konnte man die Herzdruckmassage an einer Puppe üben. Zeit sei entscheidend: Bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand sinken die Überlebenschancen mit jeder Minute um zehn Prozent. Die Wiederbelebung muss also schnell einsetzen. Blut muss ins Hirn gelangen, sonst geht dort Wesentliches kaputt.

Wir waren alle nicht mehr die Jüngsten im Saal, eher Risikogruppe als künftige Rettungstruppe, wobei die Referenten Mut machten: «Jede und jeder kann helfen!» Der Aufruf zur Courage tat gut, denn ich kam gerade aus Genf. Im Umfeld der Uno sind dort panikartige Sparübungen im Gang. Man hört von Organisationen, die ihre Aufzüge nur noch zeitweise laufen lassen, Personaletats werden um bis zu dreissig Prozent gekürzt. Verlagerungen nach Istanbul oder Katar seien im Gespräch. In Kriegsgebieten, zum Beispiel dem Sudan, reicht die humanitäre Hilfe jetzt schon nicht aus.

Weil Donald Trump achtzig Prozent der US-amerikanischen Beiträge an internationale Organisationen gestrichen hat, wird allen bewusst, wie sehr der Multilateralismus von einer einzigen Supermacht abhing. Der fehlt gerade das Blut im Hirn, dachte ich im Blauen Saal des Zürcher Volkshauses. Die Zeit drängt. Wir müssen umlernen: «Vergessen Sie die Eselsbrücke G-A-B-I, heute heisst es: ‹Prüefe. Rüefe. Drucke.›» Die Herzdruckmassage sei wichtiger als künstliche Beatmung. Noch wichtiger sei die Nummer 144. Wenn alles klappt, kommt noch vor der Ambulanz ein First Responder. Die oder der weiss, wos in der Nähe einen Defi gibt, und hat Übung darin, ihn zu bedienen. Der Defi wirkt aber auch nur in Kombi mit der Herzmassage. («Drucke!») «Staying Alive» von den Bee Gees gebe den perfekten Takt vor, sagt ein Arzt. Herzspezialist. «Feel the city breakin’ and everybody shakin’.»

In Genf werden nicht nur Mitarbeiter:innen internationaler Organisationen entlassen, sondern auch Sicherheitspersonal, Reinigungskräfte. Restaurants schliessen. Was macht der Bund? «Interessiert das jemanden in der Deutschschweiz?», fragt Fabrice Eggly, Direktor der Fondation pour Genève im Podcast «Genève Attractive». Der Historiker Pierre-Étienne Bourneuf erinnert an frühere Krisen. Jetzt müsse alles effizienter werden. Er scheint aber an die Stadt zu glauben, sein Enthusiasmus wirkt nicht verzweifelt. «Staying alive, staying alive.»

Die First Responder im Blauen Saal reden sich in Schwung, wenn sie ihre eigene Geschichte darstellen. Ein Netz aus Freiwilligen haben sie aufgebaut, es wird über eine App koordiniert. (Man kann sich melden!) Noch vor wenigen Jahren dauerte es durchschnittlich acht Minuten, bis jemand vor Ort war. Mit einem dichten Netz an First Respondern bringe man das runter auf vier bis fünf Minuten. (Ja, die gebrochenen Rippen von der Herzdruckmassage: Das macht knacks, ist aber nicht entscheidend.)

Im Blauen Saal musste ich die internationale Lage kurz ausblenden, um die Rührung zuzulassen, ein ungläubiges Staunen, dass so was auch möglich ist.

Annette Hug ist Autorin in Zürich. Fachkundige Informationen zu Herz und Defi finden sich auf www.swissheart.ch; stark von Kürzungen betroffen ist das Flüchtlingshilfswerk UNHCR, spenden kann man neu auch per Twint.