Status F: Der liebste Sündenbock des Parlaments
Sie sind gerade einmal 41 964 Personen. Alle gemeinsam versammelt, würden sie bloss eine Kleinstadt bilden. Es wäre eine isolierte, ärmliche Ortschaft. Denn sogenannt vorläufig Aufgenommene, Menschen mit Status F, werden in allen Lebensbereichen benachteiligt: beim Familiennachzug und bei der Reisefreiheit, bei der Arbeitssuche wie der Sozialhilfe. Sie gehören zu den Verletzlichsten in der Gesellschaft – und sind der liebste Sündenbock der Schweizer Politik.
Ende letzten Jahres wollte der Nationalrat den Familiennachzug auf Antrag der SVP ganz abschaffen, was der Ständerat nach einer Intervention des Uno-Kinderhilfswerks knapp verhinderte. Nun folgte in der Herbstsession die nächste Attacke. Und diesmal war die SVP, die in den beiden Räten gleichlautende Anträge stellte, erfolgreich: Vorläufig Aufgenommene sollen erst nach zehn statt bisher nach fünf Jahren ein Gesuch um eine dauerhafte Aufenthaltsbewilligung B stellen dürfen.
Die einzige Perspektive, die den vorläufig Aufgenommenen in der Schweiz bleibt, wird damit stark eingeschränkt. Der Entscheid ergibt bürokratisch keinen Sinn: Schon heute sind die Hürden für ein solches Gesuch hoch. Zu den Anforderungen im Kanton Zürich zählen beispielsweise eine feste Arbeitsstelle seit zwei Jahren, Unabhängigkeit von der Sozialhilfe seit einem Jahr, kein Strafregistereintrag, keine Betreibungen und Deutschniveau A1. Der Entscheid ist auch volkswirtschaftlich fragwürdig: Mit der Verdopplung der Frist fällt eine wichtige Motivation zur Arbeitsintegration weg.
Dass die vorläufig Aufgenommenen immer wieder zur Zielscheibe werden, liegt an ihrer Bezeichnung. Sie verschweigt, dass es sich um Schutzbedürftige handelt, häufig aus Kriegs- und Konfliktgebieten. Der Titel insinuiert stattdessen, sie könnten bald dorthin zurück, obwohl die Hälfte von ihnen seit mehr als sieben Jahren in der Schweiz leben. Nun muss das Geschäft noch jeweils durch den Zweitrat. Ein Verzicht auf die Gängelung wäre nicht nur ein Zeichen von Menschlichkeit, sondern auch Ausdruck von Realitätssinn.