Konzernverantwortung: Kurs auf volles Risiko

Nr. 42 –

Die Schweizer Firma Allseas will mit Rückendeckung von US-Präsident Donald Trump schon bald mit dem hochumstrittenen kommerziellen Tiefseebergbau beginnen. Sie muss mit Widerstand rechnen.

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das Schiff «Hidden Gem» von Allseas
Das einzige Schiff seiner Art: Die «Hidden Gem» (Verborgenes Juwel) von Allseas holt Mineralknollen vom Meeresgrund. Foto: Allseas

Über zwanzig Prozent Kurssteigerung allein am vergangenen Montag, fast 800 Prozent seit Jahresbeginn: Die Aktie des kanadischen Unternehmens The Metals Company (TMC) ist im Höhenflug, vor allem seit US-Präsident Donald Trump am 24. April mit einer Executive Order anordnete, Lizenzen für den kommerziellen Tiefseebergbau zu vergeben. Diese sollen explizit auch ausserhalb der von den USA beanspruchten Meereszone gelten.

TMC gehört laut ihrem neusten Quartalsbericht zu rund vierzehn Prozent dem Schweizer Unternehmen Allseas, das vom freiburgischen Châtel-Saint-Denis aus eine Flotte von Spezialschiffen betreibt. Diese kommen etwa bei der Verlegung von Kabeln und Pipelines am Meeresgrund zum Einsatz, beim Bau von Ölbohrplattformen oder eben künftig auch beim Tiefseebergbau (siehe WOZ Nr. 16/24). Allseas unterhält mit TMC eine strategische Partnerschaft, versorgt das Unternehmen, das bisher nur Verluste schrieb, mit immer neuen Krediten und hat sich vertraglich eine Beteiligung an künftigen Gewinnen gesichert. Allseas selber wird nicht an der Börse gehandelt, vermutlich alleinige Besitzer:innen der Firma sind der 1947 in den Niederlanden geborene Edward Heerema und dessen Nachkommen.

The Metals Company lobbyiert in den USA seit Jahren für den Tiefseebergbau und ist dank Allseas’ Know-how der einzige ernsthafte Akteur, der zum aktuellen Zeitpunkt von Trumps Executive Order profitieren kann. Man habe bislang über eine halbe Milliarde US-Dollar investiert und sich über ein Jahrzehnt auf diesen Moment vorbereitet, heisst es auf der Website des Unternehmens. Dank Tiefseebergbau sollen die USA unabhängig von Mineralienimporten werden und die «industrielle Wiedergeburt» in Gang setzen.

Unerforschte Tiefen

Tiefseebergbau ist hochumstritten, denn die Tiefsee ist kaum erforscht. Ausgerüstet mit Scheinwerfern und Kameras, liefern Roboterboote immer wieder Bilder von bisher unbekannten Organismen aus unbekannten Gattungen und Familien. In bestimmten Gebieten des Meeresbodens, etwa in der Clarion-Clipperton-Zone zwischen Mexiko und Hawaii in 4000 bis 5000 Metern Tiefe, finden sich Milliarden nuss- bis faustgrosse Knollen, die Metalle wie Mangan, Eisen, Kupfer, Kobalt, Nickel oder seltene Erden enthalten. Auf diese haben es TMC und Allseas abgesehen.

Die Knollen bieten auf ihren Oberflächen Lebensraum für unterschiedlichste Meeresbewohner. Ihre Förderung würde nicht nur deren Habitat zerstören, sondern auch das Bodensediment grossflächig aufwirbeln und damit das hochsensible Ökosystem nachhaltig schädigen. 37 Staaten, darunter auch die Schweiz, fordern ein Moratorium für den kommerziellen Tiefseebergbau.

Die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) hat in den letzten Jahren allerdings Erkundungslizenzen ausgestellt. So förderte Allseas 2022 auf einem Gebiet in der Clarion-Clipperton-Zone, das von der ISA einem TMC-Tochterunternehmen zugewiesen worden war, vierzehn Tonnen der Knollen. TMC will nun ausgerechnet in diesem Gebiet ohne Zustimmung der ISA den kommerziellen Abbau beginnen. Ein Gesuch bei der US-Regierung wurde eingereicht und eine Vorstudie im August abgeschlossen. Gemäss dieser locken Gewinne in Milliardenhöhe. Das Vorgehen kommt in der internationalen Gemeinschaft allerdings schlecht an: ISA-Generalsekretärin Leticia Reis de Carvalho verurteilte jedes unilaterale Handeln als Verletzung internationaler Abkommen. Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron spricht von «räuberischen wirtschaftlichen Aktionen».

Speziell Allseas drohen negative Konsequenzen: Denn das Unternehmen ist stark in Europa verwurzelt, wo die Ablehnung des Tiefseebergbaus gross ist. Der Bundesrat schrieb kürzlich in einer Interpellationsantwort zu Allseas, dass er von in der Schweiz ansässigen oder tätigen Unternehmen erwarte, dass sie ihre gesellschaftliche Verantwortung «nach internationalen Standards und Richtlinien» wahrnähmen. Allerdings fehlt es hierzulande bekanntlich an einer Konzernverantwortungs-Gesetzgebung, nachdem die entsprechende Initiative an der Urne scheiterte. Eine neue Initiative wurde im Mai eingereicht. Im niederländischen Parlament wurde ein Antrag angenommen, der die Regierung verpflichtet, gegen unilateralen kommerziellen Tiefseebergbau vorzugehen. Allseas verfügt in den Niederlanden über zahlreiche Büros sowie Werften.

Heftige Kritik an Allseas kommt auch von Umweltorganisationen wie Greenpeace. In einem von über 14 000 Personen unterschriebenen offenen Brief an das Unternehmen heisst es unter anderem: «Wir lassen nicht zu, dass geldgierige Unternehmen und rücksichtslose Regierungen unsere Ozeane zerstören.» Am 18. Juni hatten zudem Aktivist:innen der Gruppe Grondements des terres in einer Nacht-und-Nebel-Aktion den Hauptsitz von Allseas beschädigt. Fenster wurden eingeschlagen, es gab einen Wasserschaden.

Verhinderung auf juristischem Weg

Meeresrechtsexperte Pradeep Singh, der regelmässig an den Treffen der ISA teilnimmt und für die portugiesische Stiftung Oceano Azul arbeitet, erwartet diverse juristische Auseinandersetzungen, sollten TMC und Allseas tatsächlich mit dem Tiefseebergbau beginnen. Nur schon in den USA würden Umweltorganisationen, aber möglicherweise auch einzelne Bundesstaaten vor Gericht gehen und die Lizenzierung infrage stellen. Die Firmen selber könnten in verschiedenen Ländern mit Gerichtsklagen eingedeckt werden. Auch sei möglich, dass Staaten die gewonnenen Mineralien boykottieren oder deren Verkauf verbieten würden.

Doch Allseas scheint kein Risiko zu klein. Das zeigt auch die kürzlich gemachte Ankündigung, in die Entwicklung eines Schiffsantriebs zu investieren, der auf Atomkraft beruht. Allseas will in den nächsten Jahren die industrielle Fertigung von modularen 25-Megawatt-Kleinreaktoren vorantreiben, die für Industriebetriebe, aber eben auch für Schiffe gebraucht werden könnten. Gerade für den Tiefseebergbau wäre es sehr vorteilhaft, über ein Schiff zu verfügen, das nicht immer wieder aufgetankt werden muss.

Nathan Solothurnmann, Energie- und Atomexperte bei Greenpeace, sagt, dass der geplante Bau von Kleinreaktoren derzeit ein «Hype» sei. Aber: «Nur schon aus Kostengründen wird sich das nicht realisieren lassen.» Auch würden sich bei Atomreaktoren auf Schiffen viele neue Sicherheitsprobleme stellen. Bisher verfügen nur militärische U-Boote und Flugzeugträger über Atomantrieb. Dabei wird allerdings eine ganz andere Technologie verwendet als jene, die Allseas vorsieht. Klar ist, dass eine mit Atomkraft betriebene private Schifffahrt ein neues Regelwerk der Internationalen Atomenergie-Agentur braucht. Bestrebungen dazu sind inzwischen im Gang.

Die WOZ hat Allseas schriftlich diverse Fragen gestellt. Firmensprecher Jeroen Hagelstein schrieb zurück, er «bedaure es» mitzuteilen, dass Allseas die Gelegenheit verpassen werde, zu antworten.