Massenmord in al-Faschir: Wegschauen und Handel treiben
Die Welt scheint sprachlos. Oder desinteressiert? Angesichts des Grauens, das sich im sudanesischen al-Faschir seit der Einnahme durch die paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) abspielt, klingen die Reaktionen mehr als verhalten. Inzwischen ist klar: Zu befürchten sind Tausende, eher Zehntausende Ermordete innert einer einzigen Woche.
Dabei waren die Warnungen schon lange da, die Vorzeichen unübersehbar. Während im seit eineinhalb Jahren belagerten al-Faschir bis zu einer Viertelmillion Menschen ums tägliche Überleben kämpften, bereiteten sich die RSF geduldig auf den Einfall vor. Sie bauten einen Erdwall, um die Stadtbewohner:innen an der Flucht zu hindern. Als «Apathiekrise» bezeichnete der Uno-Nothilfekoordinator vergangene Woche gegenüber dem Uno-Sicherheitsrat die Untätigkeit, die dennoch herrschte.
Die «internationale Gemeinschaft» habe versagt, heisst es einmal mehr, wobei die Floskel in diesen Zeiten des Revivals territorialer Kriege und betont chauvinistischer Realpolitik mindestens eine Untertreibung ist. Auch der Krieg im Sudan spielt sich nicht im luftleeren Raum ab, er ist eng verwickelt mit handfesten internationalen Interessen. Unterstützt werden die RSF insbesondere von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Ohne deren militärischen und finanziellen Beistand wäre die anhaltende Schlagkraft der Paramilitärs von General Mohammed Hamdan Daglo, genannt Hemeti, schlicht undenkbar. Trotz erdrückender Beweislast – ausführlichen Medienrecherchen und detaillierten Studien – dementieren die VAE ihr Zutun stoisch.
Viele einflussreiche Regierungen lassen dies durchgehen. So gelangten über die Emirate etwa Waffen aus Grossbritannien und China in die Hände der RSF. Und auch die USA, deren Aussenministerium das Vorgehen in Darfur als «Völkermord» bezeichnet, hält an der engen Beziehung mit den VAE fest, auch an den milliardenschweren Waffendeals. Und am vergangenen Montag erst gab der Techriese Microsoft bekannt, dass er von Donald Trumps Regierung die Erlaubnis erhalten habe, Computerchips in die Emirate zu liefern. Der Aktienwert von Hersteller Nvidia sprang umgehend um über zwei Prozent nach oben. Ein wichtiger Handelspartner sind die VAE indes auch für die Schweiz, der neuntgrösste weltweit und «der grösste im Mittleren Osten», wie das Staatssekretariat für Wirtschaft in einer Länderfiche schreibt, die sich wie eine Werbebroschüre liest.
Was die VAE im Gegenzug für die Unterstützung von RSF-Chef Hemeti erhalten, ist vor allem Gold aus Darfur. Wie die NGO Swissaid diese Woche mitteilte, verzeichnete das Land 2024 einen riesigen Anstieg der Importe aus dem Sudan, auf direktem Weg oder über Schmuggelrouten in Nachbarländern. Nun hat die Schweiz in diesem Jahr gemäss Swissaid bereits Gold im Wert von 27 Milliarden Franken aus den Emiraten importiert, was ebenfalls eine starke Zunahme darstellt. Das Geschäft ist notorisch intransparent, die ursprüngliche Herkunft von Gold lässt sich leicht verschleiern – weshalb davon auszugehen ist, dass auch solches aus Hemetis Minen dabei ist.
Überhaupt wusste Hemeti, ein Veteran des Völkermords in Darfur vor zwanzig Jahren, schon immer, die Interessen internationaler Akteure zu seinen eigenen Gunsten zu nutzen. So sandte er seine Soldaten einst als Söldner in den Krieg im Jemen. Und stellte sie an den Wüstenstrassen in Richtung Libyen in den Dienst der europäischen Migrationsabwehr.
Jetzt verantwortet Hemeti ein neuerliches Verbrechen. Schambehaftet wegzuschauen, ist keine Option, eine entschiedene Sanktionierung der Kriegsbeihilfe ist unabdingbar. Unzählige lokale und internationale Organisationen tun unermüdlich ihr Bestes, um dem Leid im Sudan zu begegnen. Sie brauchen dringend Unterstützung: Die Kämpfe gehen weiter, die humanitäre Katastrophe dauert unvermindert an, in Teilen des Landes herrscht weiter eine akute Hungersnot. Die Menschen brauchen Essen, humanitäre Güter und sichere Fluchtwege. Auch nach Europa – und in die Schweiz.