Erbschaftssteuer: Stolz, Steuern zu zahlen

Nr. 47 –

Das Jammern von Milliardären wie Peter Spuhler oder Urs Wietlisbach ist bezeichnend. Es legt ihre Verachtung für den Staat offen.

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Kaum jemand kennt die Namen Jan Colruyt, Lucas Erni, Leon Kilian und Florent Perrocheau. Das ist ebenso schade wie bezeichnend. Diese vier Namen stehen unter einem Aufruf, der im Januar 2024 im Vorfeld des Weltwirtschaftsforums in Davos publiziert wurde. «Proud to pay more» – «Stolz darauf, mehr zu zahlen» heisst die Initiative dahinter: Über 250 sehr vermögende Menschen, darunter auch die vier genannten Schweizer, fordern darin, extreme Vermögen endlich angemessen zu besteuern.

«Die Ungleichheit hat einen Wendepunkt erreicht, und ihre Kosten für unsere wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Stabilität sind hoch – und steigen täglich», heisst es im Aufruf. Die Forderung höherer Steuern für Überreiche wie sie selbst würde weder ihren Lebensstandard verändern noch ihre Kinder benachteiligen oder das Wirtschaftswachstum ihrer Länder beeinträchtigen. Demgegenüber habe das aktuelle Steuersystem stagnierende Löhne, bröckelnde Infrastruktur, versagende öffentliche Dienstleistungen und eine Destabilisierung der Institution der Demokratie hervorgebracht. «Wir wollen nicht nur mehr Steuern zahlen, sondern wir glauben auch, dass wir mehr Steuern zahlen müssen», schreiben die Unterzeichner:innen.

Der Aufruf dieser «Steuerstolzen» ist in der Schweiz komplett ignoriert worden. Es gab nicht einen Artikel dazu. Das exakte Gegenteil geschah im Sommer 2024, als der SVP-Milliardär Peter Spuhler vor die Medien trat. Er wäre gezwungen, aus der Schweiz auszuwandern, sollte die kurz davor zustande gekommene «Initiative für eine Zukunft» der Juso, die eine Erbschaftssteuer auf Bundesebene verlangt, angenommen werden. Es war der Auftakt einer wirkmächtigen und sechs Millionen Franken schweren Steuerhasskampagne der Schweizer Überreichen im Hinblick auf die Abstimmung vom 30. November. Sie sorgte für weitere jammernde Milliardäre und Wegzugsdrohungen auf den Titelseiten.

Besonders aufschlussreich für die Denkweise dieser Klasse ist der Auftritt des Milliardärs Urs Wietlisbach in der SRF-«Rundschau» Anfang dieses Monats. Der Mitinhaber des Zuger Private-Equity-Unternehmens Partners Group und Mitinitiant der EU-feindlichen Kompass-Initiative sagte in der Sendung, es sei für jeden Unternehmer ein schwieriges Unterfangen, dem Staat Geld zu geben. «Ich kann das viel besser sinnvoll verteilen, effizient und unternehmerisch denkend.» Es würde ihm das Herz brechen, sein Geld über den Staat verteilt zu sehen. «Das kommt für mich nicht infrage.» Die Aussagen Wietlisbachs legen ein beachtliches Mass an Arroganz bei gleichzeitiger Verachtung für den Staat offen. Das Nein-Lager um die rechtsbürgerlichen Parteien FDP und SVP, die grossen Wirtschaftsverbände und viele Medienhäuser scheint das kein bisschen zu stören. Der seit fast eineinhalb Jahren andauernde Abstimmungskampf zur Erbschaftssteuer-Initiative legt offen, wie eng Geld und Macht in der Schweiz verwoben sind.

Es ist eine Verbindung, die in den letzten Jahrzehnten zu einer stetig wachsenden Vermögensungleichheit und äusserst geringen Steuerbelastungen für extrem Reiche geführt hat. Den Preis dafür zahlen wir als Gesellschaft, etwa in Form von Sparmassnahmen, die auch auf mangelnde Steuereinnahmen zurückzuführen sind, im Bildungsbereich, in der Klimapolitik im öffentlichen Verkehr sowie in der Entwicklungszusammenarbeit.

Die Juso-Initiative ist insofern eine sehr schlüssige Vorlage. Sie will auf Erbschaften und Schenkungen ab einem Freibetrag von fünfzig Millionen Franken eine Bundessteuer von fünfzig Prozent erheben. Die entsprechenden Einnahmen sollen in einen Fonds für sozial gerechten Klimaschutz fliessen. Mit der Schwelle von fünfzig Millionen Franken betrifft sie eine winzige Gruppe von nicht einmal 7000 hier lebenden Überreichen. Diese verantworten über ihre Lebensweise sowie durch ihre Investitionen einen überproportional hohen Treibhausgasausstoss und immense Umweltschäden.

Die Juso-Initiative ist somit im Sinn und Geist der «Steuerstolzen». Leider kann man die in der Schweiz an einer Hand abzählen.