Krieg gegen die Ukraine: Diplomatie, ein Gerücht
So plötzlich die Aufregung begonnen hatte, so schnell war der neuste US-Vorschlag für ein Ende des russischen Angriffskriegs wieder Geschichte. Dazwischen eine Woche, die die internationale Diplomatie auf Trab hielt: Wilde Spekulationen jagten wohlfeile Beteuerungen und hektische Versicherungen, von «aussenpolitischen Chaostagen» war in den Medien die Rede. Nur selten ein Thema waren die tödlichen Angriffe, mit denen die russische Armee in dieser Zeit ukrainische Städte überzog. Eine Notiz am Rand geopolitischer Ränkespiele.
Ihren Anfang nahmen die Spekulationen, als am Dienstag letzter Woche die Newsplattform Axios von einem «geheimen Plan» berichtete – aufgetaucht aus dem Nichts, mehr als zwei Dutzend Punkte umfassend, die sich wie eine Mischung aus russischem Wunschkatalog und westlichen Investorenträumen lasen. Im Kern stellten sie eine Aufforderung zur Kapitulation an die Ukraine dar.
Geschrieben hatten das Papier Donald Trumps russlandfreundlicher Sondergesandter Steve Witkoff und der windige russische Geschäftsmann Kirill Dmitrijew. Aber war das schon ein Plan oder nur eine Ideenskizze? Und stammte das Dokument, das viele Medien sogleich zum «Friedensplan» adelten, vielleicht aus dem Kreml? Kaum war das Leak da, begannen die Mutmassungen, bis niemand mehr wusste, was wahr und was bloss ein Gerücht war. Dass Trump schnelle Ergebnisse komplizierten Aushandlungen vorzieht, ist nicht neu, selten aber wirkten die US-Regierung und Trumps Partei so zerstritten. Das nützt primär dem Kreml: Nichts ist wahr, alles möglich – Zweifel säen und Verwirrung stiften ist dessen alte wie erfolgreiche Maxime.
In Kyjiw sprach Wolodimir Selenski von einem ernsten Dilemma: Entweder verliere man die eigene Würde – oder einen entscheidenden Partner. Den Vorschlag gänzlich verwerfen konnte der ukrainische Präsident offenkundig nicht. Und je weitere Kreise der Witkoff-Dmitrijew-Plan zog, desto düsterer wurde die Stimmung in Europas Kapitalen. Die «Koalition der Willigen» war einmal mehr nicht zur Gestaltung ihrer Politik fähig. Wenig war aus Berlin, Paris und London zu hören, nur ein hastig geschusterter «Gegenentwurf» – und die Bestürzung darüber, wieder übergangen worden zu sein. Aber war man seit dem Treffen im August, als Trump Putin in Alaska den roten Teppich ausrollte, selbst aktiv geworden?
Am Wochenende folgte in Genf der nächste Akt der Scharade: In Verhandlungen der USA mit der Ukraine und ein paar Europäer:innen entstand ein neues Papier, in dem strittige Punkte wohl gestrichen, heikle Fragen wie eine Obergrenze fürs ukrainische Militär oder der künftige Grenzverlauf aber auf später verschoben wurden. Diesen Plan, der dritte innert einer Woche, soll Witkoff nun Moskau schmackhaft machen.
Dass die Ukraine zu schmerzlichen Kompromissen bereit ist, hat sie in Genf erneut bewiesen. Dass der Kreml hingegen einem Plan zustimmt, der sie nicht zur Kapitulation zwingt, ist weiterhin kaum vorstellbar. Ein Déjà-vu stellt sich ein, blieb doch schon Trumps sommerliche Charmeoffensive im hohen Norden ohne Ergebnis.
Während in Genf um Positionen gerungen wurde, stand Wladimir Putin einmal mehr an der Seitenlinie – als hätte dieser Krieg nichts mit ihm zu tun, als wäre es nicht an ihm, ihn zu beenden. Ein lachender Dritter neben einstigen Verbündeten, die sich längst nicht mehr vertrauen. So sind die vermeintlich schicksalhaften Tage auch ein Lehrstück in Bezug auf die Tricks psychologischer Kriegsführung, die Exgeheimdienstler Putin nur zu gut beherrscht.
Dazu passt eine Nachricht, die jüngst die Runde machte. Das Portal «Bloomberg» publizierte das Transkript eines Telefonats, in dem Witkoff einem ranghohen Kremlberater Tipps für den Umgang mit Trump gab: Putin solle dessen Gaza-Deal loben und ein ähnliches Papier für die Ukraine vorschlagen – was dieser offenbar in die Tat umsetzte. Wird so Politik gemacht, verkommt Diplomatie endgültig zur Farce. Den Preis zahlen die kriegsgeplagten Menschen in der Ukraine.