Abstimmungskommentare

Eigenmietwert: Ein Sieg für den HEV

Die ersten Umfragen waren ein Alarmzeichen gewesen, doch viel hatte man offensichtlich auch nicht mehr machen können: Deutliche 57,7 Prozent der Stimmenden entschieden sich gestern für ein Ja – und damit für die Abschaffung des Eigenmietwerts. Die Steuer fällt also weg, Sanierungen und Hypothekarschulden dürfen dafür auch nicht mehr von den Steuern abgezogen werden. Neben voraussichtlich 1,8 Milliarden Franken Steuerausfällen wird dieser sogenannte Systemwechsel in der Wohneigentumsbesteuerung einen Einfluss auf den Immobilienmarkt haben: Prognostiziert wird unter anderem eine grundsätzliche Verteuerung von Eigentum.

Ob wegen der Abstimmung über die E-ID zusätzliche Stimmende mobilisiert wurden oder wegen des Eigenmietwerts ist unklar. Ebenso liefern die Nachwahlbefragungen letztlich wenig Erkenntnisreiches: Auf dem Land war die Zustimmung deutlicher, in den Städten fiel die Vorlage knapp – aber eben nur knapp – durch. Die Stimmenden folgten mehrheitlich den Parteien, denen sie sich zugehörig fühlen, nur die Basis der Grünliberalen und der Grünen scherte aus: Während Erstere Stimmfreigabe beschlossen hatten und Letztere für ein Nein eintraten, befürwortete die jeweilige Basis den Systemwechsel. Der Generationenunterschied war da, aber auch die Jungen stimmten für die Abschaffung. Ob die Abstimmung auch eine Klassenfrage war, lässt sich noch nicht beantworten, zu vermuten ist es, Stimmen an sich – dieses Mal war es knapp die Hälfte der Bevölkerung – ist ja schon eine.

So oder so ist es dem Hauseigentümerverband (HEV) gelungen, sein propagandistisches Narrativ von der «ungerechten Steuer» durchzusetzen. Schwer war das wohl nicht: Der Verband hatte das grösste Kampagnenbudget veranschlagt, seit es die Transparenzregeln dafür gibt (sieben Millionen Franken). Ausserdem sind Eigentümer:innen unter den Abstimmenden übervertreten.

Dennoch hatte man dazwischen wieder gehofft: Es ging ja immerhin um hohe Steuerausfälle, während der Bund gleichzeitig das grosse Sparen ausgerufen hatte. Doch dieses Argument verfing zu wenig, vielleicht auch, weil es letztlich ein apolitisches ist, geht es doch weniger darum, ob sich das Gemeinwesen etwas leisten kann, als darum, was es sich leistet und wie die dazu nötige Steuerlast verteilt werden soll. Das Verdikt ist nach diesem Abstimmungssonntag klar: Während bei Asyl, Klimaschutz und Bildung gespart wird, liegen fast zwei Milliarden Franken an Steuergeschenken für tendenziell Gutsituierte durchaus drin. Und geht es um diese, ist kein Tempo zu hoch: Der Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker hat die im Kanton Zürich für 2026 eigentlich fällige Erhöhung des Eigenmietwerts bereits gestoppt – obwohl die Abschaffung frühestens 2028 in Kraft tritt. Zu den künftigen Steuererleichterungen für Eigentümer:innen kommen also sofortige hinzu.

Darüber, wer aus welchen Gründen für die Abschaffung votierte, ist derzeit noch spekulativ. Wahrscheinlich war die Parteizugehörigkeit ausschlaggebender als die Frage, ob man über Eigentum verfügt oder nicht. Diese Abstimmung zeigt deshalb vielleicht vor allem, was die politische Zugehörigkeit über das Verhältnis zum Gemeinwesen aussagt. Zugespitzt könnte man, auch mit Blick auf die HEV-Exponent:innen sagen: Es soll ihnen dienen, ohne dass sie ihren Teil dazu beitragen. Mit der Abstimmung ist die Steuergerechtigkeit, wonach jede:r nach der eigenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zum Gemeinwesen beitragen soll, aufgehoben worden, so es sie denn vorher gab. Ein liberales Prinzip mehr beerdigt: Erstaunlich ist es nicht.

Der «Tagesanzeiger» rief die Hauseigentümer:innen nach der Abstimmung auf, «faire Gewinner» zu sein, man müsse sich jetzt um die Anliegen der Mieter:innen kümmern. Natürlich wird das von zahlreichen HEV-Leuten besetzte Parlament nichts dergleichen tun, im Gegenteil – erst Ende letzten Jahres forderte die Rechtskommission des Nationalrats, die Anfechtung des Anfangsmietzinses zu erschweren. Ein Trost ist demgegenüber die Entscheidung im Kanton Bern: Dort müssen vorherige Mietzinse künftig auf dem Mietvertrag verzeichnet werden.