Der WOZ-Blog zum Ukrainekrieg

Gastfamilien gibts nicht gratis

Ein Login kostet bis zu 200 Franken: Eingang ins Schaffhauser Sozialamt. Foto: Stefan Kiss

Zehntausende bieten sich über Campax als Gastfamilien für ukrainische Geflüchtete an. Was kaum jemand weiss: Die Behörden müssen für den Zugriff auf diese Daten bezahlen.

Es ging alles sehr schnell: Ukrainische Geflüchtete kamen in die Schweiz – und die Schweiz bald nicht mehr mit. Innert kürzester Zeit mussten Tausende Betten zur Verfügung stehen. In die Bresche sprangen zwei NGOs: Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) organisierte zusammen mit der Non-Profit-Organisation Campax eine Anlaufstelle im Netz.

Über ein Onlineformular konnte sich registrieren, wer Geflüchteten aus der Ukraine einen Platz bieten möchte. Über die frisch aus dem Boden gestampfte Plattform holte die SFH nicht nur die enorme Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung ab, sondern entlastete auch Bund und Kantone. 

Schweizweit sollen es inzwischen über 31 000 Haushalte sein, die mehr als 78 000 Betten zur Verfügung stellen. Dazu kommen knapp 700 Betten in Hotels und Wohnheimen. Vermittelt worden seien bisher zwischen 5000 und 10 000 Plätze, sagt Campax-Geschäftsführer Andreas Freimüller. 

Die Kampagnenorganisation Campax schreibt auf ihrer Website, dass sie «die Aufnahme von Flüchtenden subsidiär zum Flüchtlingsapparat des SEM» koordiniere, also mit den Behörden zusammenarbeite. Was bisher weder Gastfamilien wussten, noch mit den Behörden abgesprochen war und nun eine Recherche der WOZ und der «Schaffhauser AZ» zeigt: Die Weitergabe der Adressen geschieht nicht automatisch – und auch nicht unentgeltlich. 

Wenn Behörden auf die Datenbank zugreifen wollen, tun sie dies über die Plattform «Hostfinder», die Campax eigens dafür erstellt hat. Campax verlangt aber eine Gebühr für den Zugriff auf die Gastfamilienadressen. Die Höhe dieser Gebühr ist noch nicht definitiv und wird laufend angepasst; in einem Dokument, das den beiden Zeitungen vorliegt, sind indes Preise zwischen 120 und 200 Franken pro Login und Monat ausgewiesen. 

«Nicht redlich»

«Dass Campax die Adressen der Personen, die Geflüchtete aufnehmen wollen, zum Verkauf anbietet, finde ich nicht redlich – und es steht im Widerspruch zu Aussagen, die Campax uns gegenüber gemacht hat», kritisiert der Schaffhauser Sozialamtschef Andi Kunz. Wäre dem Sozialamt bekannt gewesen, dass Campax für Dienstleistungen Geld verlangt, hätte dies die Kommunikation gegenüber potenziellen Gastgeberinnen beeinflusst. «Wir hätten Private wohl nicht dazu ermuntert, sich auf der Plattform von Campax einzuschreiben.»

Der Kanton Schaffhausen hat ebenfalls sehr früh eine eigene Anlaufstelle für Freiwillige und potenzielle Gastgeber aufgebaut. Die zentrale Sammlung von Adressen in einer gesamtschweizerischen Initiative habe das Sozialamt – als Ergänzung zur eigenen Sammlung – aber begrüsst, sagt Kunz. «Deshalb haben wir jene Menschen, die auf uns zukamen, sowohl auf die eigene Plattform als auch auf das Angebot von Campax verwiesen.» Telefonisch habe die Organisation ihm damals in Aussicht gestellt, dass die Adressen aus Schaffhausen ans Sozialamt ausgehändigt würden.

Andi Kunz betont, dass er das enorme Engagement der beiden NGOs generell sehr wertschätze – und auch, dass sich seine Aussagen auf die Sicht des Kantons Schaffhausen beschränke. Welche Kantone bisher mit Campax zusammenarbeiten, kann die Organisation selbst nicht sagen. Man kläre mit den Kantonen derzeit die Bedürfnisse bei der Nutzung der Datenbank ab und habe dafür schon einige Zusagen. Bisher nutzen 180 User:innen in den Bundesasylzentren das System. Von dort aus werden die Geflüchteten auf die Kantone verteilt.

Keinen Gewinn erzielen

Dass die Logins kostenpflichtig sind, rechtfertigt Campax-Geschäftsführer Freimüller damit, dass man die Datenbank selbst entwickelt habe. «Von Haus aus sind wir keine Softwarefirma. Im Peak waren wir auf bis zu zwölf externe Programmier:innen angewiesen.» Ein Entwickler von Campax vergleicht die Datenbank mit einem Flugzeug, das sehr schnell gestartet ist und jetzt im Flug laufend modifiziert wird.

Dabei seien nennenswerte Kosten entstanden. «Wir sind als Verein extrem in die Vorleistung gegangen und sind froh, wenn wir die Kosten überhaupt wieder hereinbekommen», sagt Freimüller. Campax wolle keinen Gewinn erzielen, sondern nur die Kosten decken – als Verein mit karitativem Zweck sowieso. 

Für die Aufrechterhaltung und die punktuelle Weiterentwicklung von «Hostfinder» rechnet Campax derzeit mit monatlichen Kosten von rund 120 000 Franken. Ziel sei es, dass der Bund ein Drittel der Kosten übernimmt und der Rest auf die Kantone verteilt wird. Die Preismodelle sollten aber so angepasst werden, dass sich auch kleine Gemeinden ein Login leisten könnten. «Letztlich sparen auch sie Kosten, wenn sie nicht selbst Unterkünfte zur Verfügung stellen oder nach diesen suchen müssen», so Freimüller.

Mitarbeit: Kaspar Surber