Der WOZ-Blog zum Ukrainekrieg

Verhaftet vor dem 9. Mai

Die Repressionswelle gegen Kriegsgegner:innen in Russland rollt weiter. Das zeigt das Beispiel von Palladija Baschurowa.

«Tag des Unheils»: Unter diesem Motto führte die feministische Bewegung Widerstand gegen den Krieg (FAS) zum «Tag des Sieges» letzten Montag kreative symbolische Antikriegsaktionen durch. Am 9. Mai feiert Russland alljährlich den Sieg über den Faschismus, auch in diesem Jahr, während russische Truppen Krieg gegen die Ukraine führen. Auch die demokratische Jugendorganisation Vesna («Frühling») kündigte zu diesem Anlass landesweite Aktionen an und wählte dafür den Slogan «Nicht dafür haben sie gekämpft».

Straftatbestand: «Telefonterrorismus»

Bereits am Vorabend des «Tags des Sieges» gingen Sicherheitskräfte gegen beide Gruppierungen vor. Palladija Baschurowa, eine der Koordinatorinnen der FAS in St. Petersburg (siehe WOZ Nr. 17/22), wurde direkt aus einer Bar abgeführt und in Polizeigewahrsam genommen. Bereits seit zwei Monaten läuft gegen sie ein Strafverfahren wegen «Telefonterrorismus», nun gilt sie als Verdächtige in einem zweiten Ermittlungsverfahren.

Eine unbekannte Person, die in Verbindung zu den ukrainischen Streitkräften stehe, habe im April damit gedroht, eine Bombe in einer Hochschule zu zünden, sollte ihrer Forderung nach der Zahlung einer hohen Geldsumme nicht entsprochen werden. So steht es in den Akten. Gegen einige weitere Feministinnen und eine Vesna-Aktivistin wird in diesem Zusammenhang ebenfalls ermittelt.

Nach Moskau überstellt

Drei Vesna-Mitglieder wurden öffentlichkeitswirksam aus St. Petersburg und Nowgorod zum Verhör nach Moskau überstellt und dort dem Haftrichter vorgeführt. Gegen sie und weitere Moskauer Aktivist:innen läuft ein Strafverfahren wegen Beteiligung in einer NGO, die auf einen «Eingriff in Bürgerrechte» abziele. Darauf stehen zwei Jahre Haft. Der entsprechende Paragraf fand im letzten Jahr erstmals Anwendung, und zwar gegen den prominenten Oppositionellen Alexei Nawalny.

Nach den Feierlichkeiten vom Montag wurden alle Betroffenen wieder aus dem Gewahrsam entlassen – die Vesna-Aktivist:innen jedoch nur unter gerichtlich verfügten Auflagen. Palladija Baschurowa vermutet, die Polizei habe beabsichtigt, «gefährliche» Elemente vor dem grossen Feiertag aus dem Verkehr zu ziehen und gleichzeitig potenzielle Nachahmer:innen einzuschüchtern.