Die Verhinderung eines Strassenfests: Verhaftung statt «Radical Rave»

Die Idee zu «Radical Rave» kommt aus Berlin. Eine lose Gruppierung von DJs begann vor einigen Jahren linke Anliegen in der als apolitisch verrufenen Abtanz-Szene zu thematisieren und veranstaltete Solidaritätsraves für linke Projekte wie beispielsweise die Unterstützung von zapatistischen Gemeinden in Chiapas. Die Idee drang, etwa zur gleichen Zeit wie «Reclaim the Streets» aus England, in die Schweiz, wo anlässlich der WTO-Ministerkonferenz 1998 in Genf der erste «Radical Rave» veranstaltet wurde: Die «Radical Rave»-AktivistInnen nahmen an der Demo teil, besetzten anschliessend eine Strassenkreuzung, bauten ein mobiles Soundsystem auf und luden zum friedlichen Tanz.

Im Zusammenhang mit den Anti-Wef-Aktivitäten berichtet einer der Schweizer «Radical Rave»-Aktivisten: «Ursprünglich war in Davos ein Strassenfest mit anschliessendem Rave geplant. Wir hatten eine Art Multimedia-Lastwagen – Soundsystem, Videobeamer, eine aufklappbare Bühne, Pappmachédekos – bereitgestellt. Zusammen mit zirka fünfzehn weiteren Bussen wurden wir in Landquart von der Polizei angehalten und zurückgeschickt. Wieder auf der Autobahn, kam das Soundsystem zum Einsatz: Zu fetten Drum-and-Bass-Beats verteilten wir in weissen Businesshemden und Krawatten, sozusagen als ‘homines oeconomici’ verkleidet, falsche Dollarnoten mit Totenköpfen drauf, entrollten unser Transparent und tanzten ein wenig auf der Autobahn. Nach drei Stunden Blockade setzten wir uns mit den anderen Bussen Richtung Zürich in Bewegung, um Plan B umzusetzen: ein spontanes Strassenfest auf dem Bürkliplatz. Dort war die Situation aber bereits eskaliert.

Mit der Bahn nach Zürich zurückgeführte DemonstrantInnen versuchten von Wollishofen zum Bürkliplatz zu gelangen, um uns zu empfangen. Mit Wasserwerfern, Gummischrot und Tränengas hatte dies die Polizei aber verhindert. Die Buskarawane musste auf den Carparkplatz beim Hauptbahnhof ausweichen. Wir riefen die Leute auf, sich nicht provozieren zu lassen, damit das Fest doch noch steigen kann. Beim Landesmuseum startete die Polizei aber einen massiven Angriff, gleichzeitig eskalierte auch im Hauptbahnhof die Situation. Unser Lastwagen wurde bis zur Kunstgewerbeschule in den Kreis 5 zurückgedrängt. Auf dem Weg in die Rote Fabrik stoppte die Polizei den Laster und verhaftete die Besatzung (eine Fahrerin, vier DJs, zwei Helfer).

Der Lastwagen wurde konfisziert, die SchweizerInnen und ein Deutscher am gleichen Abend wieder freigelassen. Ein Deutscher wurde bis am Dienstag, die beiden DJs aus Italien bis am Mittwoch – unter Anwendung von Zwangsmassnahmen, also ohne Kontakte zur Aussenwelt – festgehalten. Die AusländerInnen erhielten zwei Jahre Landesverweis, wir SchweizerInnen eine Anklage wegen Landfriedensbruchs. Der Lastwagen wurde am Montag wieder freigegeben.»

Eine Strategie gegen den anstehenden Prozess haben sich die «Radical Raver» noch nicht zurechtgelegt, klar ist jedoch, dass sie sich nicht entmutigen lassen: «Politisch war die Anti-Wef-Aktion ein Erfolg. Unsere Idee, eine Demo mit einem friedlichen Rave ausklingen zu lassen, wurde bislang immer von der Polizei im Keim erstickt. Deshalb machen wir weiter.»