Es bleibt dabei: Für Serbien gelten andere Gesetze: Warum Milosevic sich ins Fäustchen lacht

Die Kämpfe in Mazedonien sind auch für Serbien gefährlich. Und Grund zum Jubel über die Zulassung serbischer Streitkräfte in die Pufferzone an der Grenze zum Kosovo gibt es schon gar nicht.

Es gibt sicher einen Mann in Belgrad, der sich zufrieden die Hände reibt, wenn er die Nachrichten über die Gewalt albanischer Freischärler in Mazedonien hört. Der frühere jugoslawische Präsident Slobodan Milosevic hat Grund zur Freude: Zum ersten Mal seit zehn Jahren ist in einem Konflikt auf dem Balkan nicht er der Bösewicht in den Augen des Westens. Grund zur Schadenfreude hat er auch – der Westen ist jetzt in Mazedonien genauso rat- und kopflos, wie er es in den früheren Situationen war, in denen ihm Milosevic als Feind und Verhandlungspartner gegenüberstand.
Die heute in Belgrad Regierenden teilen die tiefe Sorge der mazedonischen Führung, dass die jetzige Krise ausser Kontrolle geraten und in einen neuen Krieg auf dem Balkan ausarten könnte. Die Entwicklung in Serbien war mit ein Grund für den Ausbruch von Gewalt in Mazedonien. Vor einigen Wochen nämlich haben die Regierungen in Belgrad und Skopje einen Vertrag unterschrieben, in dem die Grenzen zwischen den beiden früheren Teilen der gesamtjugoslawischen Föderation festgeschrieben wurden. Das frühere Regime in Serbien hatte diesen Schritt jahrelang vermieden. Zwar gab und gibt es zwischen Belgrad und dem südlichen Nachbarn keine offenen Fragen – weder nennenswerte Minderheiten, die jeweils ein Problem darstellen könnten, noch unangenehme historische Fragen, die ungelöst geblieben sind. Die Regelung der Grenzfrage hat aber den nationalistischen albanischen Kräften in der Region nicht gefallen. Sowohl im Kosovo als auch in Mazedonien haben sich radikale politische Vertreter der AlbanerInnen mit der These gemeldet, es könne nicht zugelassen werden, dass in der Region ohne sie Entscheidungen über Grenzen getroffen würden. Albanische Parteien sind in Mazedonien jedoch sowohl im Parlament wie auch in der Regierung vertreten. Es folgten Demonstrationen von AlbanerInnen und erste Schüsse in Tetovo.
Belgrad hat schon mehrfach die Solidarität mit der Führung in Mazedonien bekundet und humanitäre Hilfe angeboten. Wesentlich mehr kann die neue serbische Führung nicht unternehmen, obwohl Skopje und Belgrad in vielerlei Hinsicht im selben Boot sitzen. Während Wochen wurde aus der Region um die südserbischen Städte Presevo, Medvedja und Bujanovac immer wieder von Schiessereien nach albanischen Provokationen berichtet. Nach mühsamen Verhandlungen kam es vorletzte Woche zu einem Waffenstillstand. Die Nato rief die jugoslawischen Streitkräfte dazu auf, schrittweise und (vorerst?) nur leicht bewaffnet wieder in die von ihr eingerichtete Pufferzone an der Grenze zum Kosovo einzurücken. An diesem Freitag soll es zu ersten direkten Verhandlungen zwischen der serbischen Regierung und einer Delegation kommen, in der auch Vertreter militanter Albaner sind.
Die Entscheidung über eine Rückkehr der serbischen Streitkräfte in die Pufferzone ist in Belgrad keinesfalls mit Begeisterung aufgenommen worden. Einige Politiker empfanden diesen Schritt zwar als Anerkennung für die Bemühungen der neuen Führung, Probleme in Südserbien friedlich zu lösen. Gleichzeitig warnten sie aber vor den Risiken, die für Serbien mit diesem Beschluss verknüpft sind. Trotz aller Verhandlungsbereitschaft und der Entschlossenheit, die «albanische Frage» in Südserbien anders als ihre Vorgänger zu lösen, geht die serbische Regierung davon aus, dass der «albanische Terrorismus» in der Region noch lange ein Problem bleiben wird.
Sowohl in Belgrad als auch in Skopje überwiegt die Meinung, dass die Aktionen der neuen albanischen Guerilla aus dem Kosovo gesteuert wurden. In beiden Staaten wirft man der Nato vor, nicht genügend unternommen zu haben, um den «Export» von Waffen und Kämpfern der offiziell aufgelösten Befreiungsarmee Kosovos (UCK) nach Südserbien und Mazedonien zu unterbinden. Aus Brüssel wird versichert, die Nato trage keine Verantwortung für die Lage in Südserbien und Nordmazedonien. Alles werde unternommen, die paramilitärischen Strukturen zu entwaffnen. Aber viel Glauben schenkt man solchen Beteuerungen weder in Skopje noch in Belgrad. Nach wie vor berichten westliche Zeitungen über albanische Guerillakämpfer, die während des Kosovo-Krieges von westlichen Militärs ausgebildet wurden und die die Verbindungen zu den alten «Kollegen» nie abgebrochen haben.
Für Belgrad ist der jetzige Konflikt in Mazedonien mehrfach gefährlich. Die Angst, dass auch aus diesem Konflikt ein neuer Balkan-Krieg entsteht, ist gross. Weitere Kämpfe in Mazedonien würden die Spannungen im Kosovo verschärfen und albanische Freischärler in Südserbien zu neuen Kämpfen ermutigen. Dies würde eine Verschiebung der notwendigen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Reformen mit sich bringen. Und daraus könnte eine gefährliche Unzufriedenheit der Bevölkerung mit den neuen demokratischen Kräften entstehen.
Der Aussenpolitische Repräsentant der EU (und Nato-Generalsekretär während der Angriffe auf Jugoslawien), Javier Solana, hat sich am Dienstag im Skopje dagegen ausgesprochen, dass die mazedonische Führung mit albanischen Terroristen verhandelt. Er hat sogar empfohlen, dies nicht zu tun. Wenn Solana und Brüssel bei den jetzigen Empfehlungen bleiben, wird die serbische Regierung wieder in Not kommen. Der eigenen Bevölkerung wird sie erklären müssen, warum für verschiedene Staaten oder Völker auf dem Balkan verschiedene Massstäbe der westlichen Staatengemeinschaft gelten. Denn in Südserbien wurde die Belgrader Regierung von der Nato praktisch gezwungen, Verhandlungen auch mit den Freischärlern der Befreiungsarmee von Presevo, Medvedja und Bujanovac (UCPMB) zu führen. Dabei sind die UCPMB in Südserbien und die «Nationale Befreiungsarmee» in Mazedonien nur zwei Ableger der offiziell nicht mehr existierenden UCK – die noch vor zwei Jahren in Rambouillet mit am Verhandlungstisch sass.