Irak: Die ersten Amis sind schon dort: Freiwillige Schutzschilder

Was bringt US-AmerikanerInnen dazu, in den Irak zu reisen, um gegen die Politik ihrer Regierung zu protestieren?

Eine kleine Gruppe ist schon seit Mitte September im Irak. Im Oktober werden weitere US-amerikanische FriedensaktivistInnen in das vom Krieg bedrohte Land reisen. Insgesamt wollen mehr als hundert Menschen im Irak gegen einen US-Militärangriff protestieren. Dazu aufgerufen hat die Organisation Voices in the Wilderness (www.vitw.org), die potenzielle Irak-Reisende zuerst eine lange Liste von Fragen beantworten liess, bevor sie deren Einsatz zustimmte. AbenteurerInnen sind nicht erwünscht. Zur ersten Gruppe des «Irakischen Friedensteams» gehört auch der 25-jährige Journalist Nathan Mauger aus Washington D. C. Er will die US-Friedensbewegung mit Daten und Fakten aus dem Irak versorgen. «In Amerika wissen die Leute noch nicht einmal, dass im Irak 23 Millionen Menschen leben», so Nathan Mauger.

Ramzi Kysia (34) ist Muslim. In Washington D. C. arbeitete er als Rechtsanwalt. 1998 schloss er sich der Friedensbewegung an – nachdem die USA den Irak wieder einmal bombardiert hatten. Seitdem arbeitet er mit Voices in the Wilderness und dem Education-for-Peace-in-Iraq-Zentrum (www.epic-usa.org). Ab Mitte August hat er in Bagdad den Aufenthalt für das erste Friedensteam vorbereitet. Treffen mit UN- und Menschenrechtsorganisationen, die im Irak humanitäre Hilfe leisten, stehen ebenso auf dem Programm wie Besuche in Schulen und Krankenhäusern. Die irakischen Behörden seien seinen Wünschen gegenüber «sehr aufgeschlossen», sagt Ramzi Kysia. «Sie schätzen uns als ‘Randgruppe’ ein, womit sie, leider, nicht ganz Unrecht haben.»

Ramzi hat sein Hotelzimmer in ein kleines Büro umfunktioniert und fungiert als Arbeitsvermittler. Die FriedensaktivistInnen wollen sich während ihres Aufenthalts im Irak nützlich machen. Jede neue Delegation bringt Medikamente und Instrumente für Krankenhäuser mit. Als Freiwillige wollen sie bei irakischen und internationalen humanitären Organisationen arbeiten: bei den italienischen «Bridges to Bagdad», bei den französischen «Enfants du Monde», oder bei einer der UN-Einrichtungen.

Die Atmosphäre in Bagdad bezeichnet Ramzi als «etwas surreal». Die Stadt wirke «ganz normal, sogar schön» – als ob kein Krieg drohen würde. «Die Menschen leben, arbeiten, besuchen Freunde, Kirchen und Moscheen. Abends spielen die Kinder in den Parks oder auf Seitenstrassen Fussball.» Kein Militär auf den Strassen, keine Panik – «das irritiert mich etwas», gibt Ramzi zu. Sollte es Krieg geben, werden die FriedensaktivistInnen den Roten Halbmond unterstützen. Und, sagt Ramzi, «wir wollen der Berichterstattung von CNN etwas entgegensetzen. Wir werden die Leute in den USA darüber informieren, welche Folgen der Krieg für die Menschen hier tatsächlich hat.»

Ähnlich will auch Nathan Mauger, der junge Journalist, kämpfen. Er fühlt sich «moralisch verpflichtet, den Irakern zu helfen. Mein Land hat ihr Land zerstört, ich fühle mich irgendwie verantwortlich.» Er will über das Leben der einfachen IrakerInnen schreiben, wie sie unter den Sanktionen leben und angesichts des drohenden neuen Krieges. Mit seinen Berichten an die US-Presse, an Kirchen- und Friedensgruppen hofft er, «Widerstand gegen einen neuen Krieg zu mobilisieren».

Die Reaktion der irakischen Bevölkerung auf ihre Anwesenheit beschreibt Nathan als «unglaublich freundlich». Die FriedensaktivistInnen tragen Zettel bei sich, mit denen sie ihre Anwesenheit erklären. Sie hoffen auf baldige Unterstützung aus anderen Ländern. «Wir erwarten Leute aus Britannien, Italien, den Niederlanden, Irland und vielleicht auch aus Frankreich», sagt Nathan. «Mag sein, dass es naiv ist, die US-Truppen so stoppen zu wollen. Doch ich muss alles tun, um meine Regierung davon abzuhalten, hunderttausende unschuldiger Iraker zu ermorden.» Er weigere sich, diesen Krieg zu akzeptieren, der nur geführt werde, um das irakische Öl zu kontrollieren. Kritik, sie machten sich zu einem Teil von Saddam Husseins Propaganda, weist Nathan zurück. Die Friedensteams seien neutral, nicht Kriegspartei. «Wir arbeiten unabhängig, und niemand sagt uns, was wir tun sollen.» Wäre das anders, würden sie das Land verlassen.