Film : Fast verschlungen vom Dunkel
Ein Film, das sind «24 Fotos pro Sekunde». Dass wir diese Fotos als bewegte Bilder wahrnehmen: eine optische Überlistung. So erklärt es der technisch versierte Vater (Paul Dano). Filme seien wie Träume, weiss dagegen die musikalische Mutter (Michelle Williams). Der kleine Sammy fürchtet sich vor beidem: vor überlebensgrossen Bildern auf der Leinwand und vor Träumen. Doch nachdem er sich ins Kino getraut hat, ist er fasziniert. Er wünscht sich eine Modelleisenbahn – um das spektakuläre Eisenbahnunglück aus seinem ersten Kinobesuch nachzustellen. Damit er das Spielzeug nicht lädiert mit stets neu inszenierten Auffahrunfällen, schlägt die Mutter vor, den Crash zu filmen. So könne er ihn ohne Materialschaden immer wieder anschauen. Die Kamera gibt ihm ein Gefühl der Kontrolle. Und sie ist ein Werkzeug gegen die Angst.
Steven Spielbergs so bewegender wie analytischer Film «The Fabelmans» ist die fiktional angereicherte Geschichte seiner eigenen Herkunft: die Herleitung eines der bekanntesten Filmemacher unserer Tage aus mütterlicher Bewunderung, aus väterlicher Skepsis, aus der unglücklichen Ehe der beiden. Wenn manche Kritiker:innen nun wieder das Klischee von Spielberg als Happy-End-verliebtem Nostalgiker bemühen, erstaunt doch, was sie alles ausblenden. Das locker wirkende Talent Spielbergs entspringt einer existenziellen Dunkelheit. Auch in «The Fabelmans» wird die Klavier spielende Mutter vom Schwarz des Pianos fast verschlungen. Das «heimishe» Hollywood ist ein Fluchtort vor dem omnipräsenten Antisemitismus, wie es ein Grossonkel in einer virtuosen Lektion zu Judentum und Kunst ausführt. Die filmische Begabung des jungen Fabelman taugt nicht nur für Pfadiabende und um Mädchen zu beeindrucken. Sie ist vor allem ein Abwehrzauber gegen eine latent bis akut feindselige Umgebung: ein rettender Sprung in die Welt der Geschichten, wo nichts ohne Grund geschieht. Als Sammy Fabelman (Gabriel LaBelle) dann in seinem Film für den Abschlussball den Klassenbeau als arischen Halbgott überzeichnet, wirds auch diesem endlich unheimlich.