Heliskiing: Knatternde Rotoren statt Bergruhe

Nr. 11 –

Jedes Jahr gibt es rund 15 000 touristische Heliflüge im Schweizer Hochgebirge – die meisten davon fürs Heliskiing. Dagegen wehrten sich Umweltaktivist:innen auf einem Gebirgslandeplatz.

Demoskitour von Mountain Wilderness am 9. März im Berner Oberland
«Ein Heliskiingflug stösst hundert Mal mehr CO₂ als eine ÖV-Skitour aus»: Demoskitour von Mountain Wilderness am 9. März im Berner Oberland.

In Feutersoey bei Gstaad herrscht am vergangenen Samstag Frühlingswetter. Die Wiesen sind grün, die Sonne scheint, irgendwo ruft ein Buntspecht im Wald. Trotzdem zwängen sich an jenem Morgen rund vierzig Menschen in ihre Skischuhe und binden die Ski am Rucksack fest.

Einer davon ist Aaron Heinzmann. Der Projektleiter für Alpenschutz der Umweltorganisation Mountain Wilderness steht neben einem Hinweisschild am Waldrand. Das Schild von Gstaad Tourismus warnt vor dem «erhöhten Aufkommen an Pulverschnee-Liebhabern» auf dem Walighürli – dem Ziel der heutigen Skitour auf 2050 Metern über Meer. Dieses «erhöhte Aufkommen» ist Heinzmann und den Anwesenden ein Dorn im Auge. Denn es rührt daher, dass im Winter Hunderte mit Helis auf den Gipfel fliegen, um ein bisschen Pulverschnee zu geniessen.

Proteste seit dreissig Jahren

«Trotz der immer wärmeren Winter mit weniger Schnee finden am Walighürli weiterhin Heliskiingflüge statt», kritisiert Heinzmann und erklärt der Gruppe den Ablauf der Demo. Mountain Wilderness demonstriert seit dreissig Jahren auf Gebirgslandeplätzen. «Wegen Schneemangel gibt es heute zwar keine Flüge», sagt er. Das sei aber eine Ausnahme, denn «die Zahlen steigen». Und so sieht man immer wieder Helis am Himmel, die einen anderen der etlichen Landeplätze rund um Gstaad anfliegen. Am Walighürli sind es im Schnitt 900 pro Jahr – fast alle im Winter. Lockt der frische Powder, landen die Helis im Minutentakt auf dem Gipfel, um ihre Gäste abzuladen. Kostenpunkt: 390 Franken pro Person – inklusive Busshuttle zurück nach Gstaad.

«Heute können wir dafür von der Ruhe profitieren und die schöne Bergwelt ohne Lärm und Abgase geniessen», sagt Heinzmann zur Einstimmung auf die Tour. «Ganz gemäss dem Motto von Gstaad Tourismus: Come up, slow down.» Dann nimmt er einen Schraubenschlüssel und demontiert das Hinweisschild, bevor die Gruppe losmarschiert.

Schutzgebiete tangiert

Die Anbieterfirma Flightbase preist Heliskiing als «atemberaubendes Erlebnis mit riesigem Spassfaktor». Helikopterunternehmen wie Swiss Helicopter oder Air Zermatt machen neben dem touristischen Interesse auch den Nutzen für die Ausbildung von Pilot:innen geltend. Dafür gibt es in der Schweiz vierzig Gebirgslandeplätze – nur dort sind touristische Landungen auf über 1100 Metern über Meer erlaubt. Die Hälfte der Landeplätze liegt in oder am Rand von geschützten Landschaften.

Neben der hohen Klimabelastung – «ein Heliskiingflug stösst hundert Mal mehr CO₂ als eine ÖV-Skitour aus», erklärt Heinzmann – leiden besonders Wildtiere. Am Walighürli ist der Landeplatz von etlichen Wildruhezonen umgeben. Die nächste liegt 200 Meter entfernt. Solche Gebiete dienen gemäss Jagdgesetz der Vermeidung übermässiger Störung – vor allem durch die Freizeitnutzung. Mit knatternden Rotoren ist das kaum vereinbar.

Trotzdem floriert Heliskiing in der Schweiz. Jährlich finden rund 15 000 Flüge statt. Auch Helibiking, Heliapéro oder Helihochzeiten werden angeboten. «Das ist ein fahrlässiger Umgang mit unserer Lebensgrundlage und nicht mehr zeitgemäss», sagt Heinzmann beim Aufstieg durch den Wald. Von Schnee noch keine Spur. «Dekadente Spassfliegerei wie das Heliskiing soll der Vergangenheit angehören.»

Dreitägige «Safaris»

Eine politische Diskussion ums Heliskiing findet jedoch kaum statt. Und das, obwohl die Schweiz 1991 die Alpenkonvention unterzeichnete. Sie verpflichtet die Staaten, den Luftverkehr für sportliche Zwecke so weit wie möglich einzuschränken. Zuletzt wollte der Bundesrat deshalb 2007 die Lage und die Notwendigkeit von Gebirgslandeplätzen überprüfen. Sieben Jahre später wurde die Übung erfolglos abgebrochen. Die damalige CVP-Bundesrätin Doris Leuthard erklärte, dass es zu keiner «Annäherung der Positionen» gekommen sei und die Umweltanliegen «gewichtigen nationalen Interessen am Erhalt einer genügenden Anzahl solcher Landestellen» gegenüberstünden.

In den umliegenden Alpenländern sind die nationalen Interessen offenbar anders gelagert. Seit 1985 ist Heliskiing in Frankreich verboten – ebenso in Deutschland. In Italien und Österreich ist die Praxis zumindest stark eingeschränkt. Doch die Schweiz hilft mit ihren Gebirgslandeplätzen mit, Heliskiing in den alpinen Grenzgebieten zu Frankreich und Italien anzubieten. So können etwa «Safaris» gebucht werden, bei denen während dreier Tage Hänge und Gipfel zwischen Zermatt und dem französischen Chamonix befahren werden. Immer wieder kommt es gemäss Mountain Wilderness auch zu illegalen Landungen ausserhalb der erlaubten Landeplätze. Kontrollieren lasse sich das kaum.

Nach knapp drei Stunden Aufstieg erreicht die Demoskitour den flachen Gipfel. Eine Gruppe Schneeschuhläufer:innen ist bereits oben und macht kurz Rast. Denn es windet, die Protestfahnen von Mountain Wilderness flattern, der Schnee wird von Windhosen eindrücklich aufgewirbelt. Trotzdem stellt sich die Gruppe vor dem Alpenpanorama auf und legt den Finger auf die Lippen: Ruhe und Naturverträglichkeit statt Lärm und Luxusfliegerei. Dann geht es an die Abfahrt. Der spärliche Pulverschnee ist verdient.